Wer mich kennt, der weiss, dass ich gerne an Openairs gehe. Oder ging. Irgendwie reizen mich überteuertes Essen, Warteschlangen vor einem Toitoi und das Schlafen im Zelt nicht mehr so sehr wie noch vor ein paar Jahren. Mit meiner Tradition der Openairs habe ich im Verlauf der Covid-Pandemie gebrochen, es schien mir fast wie ein Fingerzeig des Schicksals. Aber so ganz still und heimlich einfach nicht mehr hingehen passt mir auch nicht. Es braucht schon noch irgendeinen Schlusspunkt. Und den setzte ich heute, denn dieses Weekend findet das Greenfield in Interlaken statt. Seit der ersten Ausgabe im 2005 (Eintritt 150.- inkl. SBB-Billet, das Bier von einer lokalen Brauerei - Rugenbräu - und Bands wie QOTSA, Turbonegro, Pennywise, System of a down, Flogging Molly [...] *schwelg...*) war ich immer dabei. Jetzt ist also finito, Schicht im Schacht. Nach gefühlt zehn Absagen an Kollegen via WhatsApp, Signal, E-Mail und SMS reifte an einem Abend auf dem Balkon der Gedanke: "Eigentlich könnte ich ja zum Abschied einen Low Pass über den Flugplatz Interlaken ballern". Okay, Low Pass ist übertrieben. Aber so 300 Meter über dem Boden wär gesetzlich noch erlaubt...
Also krame ich wieder mal die Landkarte hervor und zeichne, messe, rechne. Wird ja eh zu weit sein. Oder das Wetter passt nicht. Fehlanzeige. Alleine komme ich problemlos hin und zurück. Und für einen Vollkreis reichts auch noch. "Höhö, geil. Das passt. Mach ich." sage ich mir und intensiviere meine Planung. Das mit dem tiefen Überflug streiche ich aber relativ bald von der Liste. Zwei Hubschrauberbasen sind in nächster Nähe, überall sind Kabel gespannt und das ganze ist ja eh in einem relativ engen Tal, welches auf der einen Seite in die TMA vom Militärflugplatz Meiringen mündet. Da will ich nicht unbedingt reinfliegen. Und dann erinnere ich mich an die Typen, die sich auf dem Zeltplatz mal ein Katapult aus Sperrmüll und Veloschläuchen gebaut haben - mit dem sie dann Äpfel locker 200 Meter weit über den Zeltplatz geballert hatten. Die würden absolut sicher auch auf den Bartli im Breezer schiessen. Ich kenne "meine" Pappenheimer. Also lassen wir das. Vielleicht mal 500 Meter in Betracht ziehen - ausserhalb der Luftabwehr halt. Was auch noch gegen eine allzu tiefe Durchflughöhe spricht sind die Gleitschirme. Die Paras lieben das Berner Oberland. Und direkt oberhalb Interlaken gibt's acht Startplätze. Und die Landeplätze sind in Interlaken, einer davon sogar auf dem Flugplatz selbst, wo das Openair stattfindet. Seufz... Ach, egal. Das ist dann das Problem vom Zukunfts-Marco. Der Gegenwarts-Marco finalisiert die Planung und reserviert sich die Zulu Bravo.
Das Wetter ist sommerlich warm und ich schlurfe gegen halb eins in den Hangar. Weit und breit kein Mensch, die Flugzeuge waren nur am Vormittag reserviert. Kein Wunder, für den späteren Nachmittag sind schon die ganze Woche Wetterkapriolen angesagt. Und die sind in den letzten drei Tagen auch eingetreten. Aber so ein bisschen Wind und Regen können den alten Luftbären doch nicht erschüttern. Schliesslich gehört ein bisschen "Scheisswetter" zu einem Openair - das passt also zu heute. So sattle ich Zulu Bravo, fülle den Tank und schon geht's los in Richtung Norden. Weiter über Einsiedeln nach Zug, wo ich auf der entsprechenden Frequenz von Emmen Tower erfahre, dass der heute geschlossen ist. Cool, dann brauche ich keine Erlaubnis um durch deren Kontrollzone zu hopsen. Das finden aber auch zig Segelflieger und Gleitschirmler cool. Die hängen da jetzt alle unter irgendwelchen Wolken und zwingen mich zu einem Slalom um sie herum. Als ich dann das Napfgebiet vor mir habe, wird mir kurz ein bisschen mulmig. Das sieht hier schon alles recht dunkelweiss aus in den Wolken... Njäch, auch das ist das Problem vom schon-nicht-mehr-ganz-so-fernen-Zukunfts-Marco. Irgendwie komme ich hier dann schon wieder raus. Und sonst hat's ja noch ein paar Plätze hier in der Umgebung und ich hab extra vollgetankt. Also stur vorbei an den missmutigen Wolken, die mich schon das erste mal anspritzen.
In der Nähe von Thun switche ich dann auf die Frequenzen von Thun (wo nicht viel los war) und von Interlaken (wo gar nichts los war). Über Spiez schicke ich den Meinen vor Ort eine Info, dass ich im Anflug sei. Ich wechsle zur Sicherheit auch noch auf die Frequenz von Meiringen, aber auch von dort bleibt's still. Das kommt mir sehr gelegen, denn ich erspähe einen Gleitschirm über Interlaken. Und noch einen. Und da auch noch zwei. Nein drei. Ah das ist eine grössere Gruppe... Schlussendlich sind's in etwa acht, neun, zehn Schirme, die sich gemächlich über Interlaken verteilen. Okay, das mit dem Absinken auf 3000, 4000 Fuss runter wird nix. Ich bleib auf meinen 5000 Fuss und "ziele" auf den Hügel zwischen mir und der Hauptbühne. Mal sehen wie's dahinter dann aussieht. Dorthin wo der Blick aller Festivalbesucher jeden Nachmittag ab ca. 16:00 Uhr wandert - denn von dort kommen jeweils die berühmt-berüchtigten alpinen Gewitter. Und schon tut sich das Festivalgelände auf. Unzählige Zelte, grosses Gewusel... Ich verspüre eine leichte Verholzung vom kleinem Finger und Zeigefinger. Wie eine Wünschelrute, die das Wasser spürt strecke ich die Hörner zu meinen Brüdern und Schwestern herunter. Wie es ordentlicher Brauch ist entfährt mir ein kehliges "Greeeeenfieeeeeeld!!!" (nein, allzu kreativ sind "wir" Greenfieldler nicht...) als ich zur Kurve ansetze und mit Chamäleonaugen zum einen meine Handykamera ausrichte und zum anderen die Gleitschirme auf der anderen Dorfseite beobachte. Dank der Kurve wandert mein Blick aber auch zurück zum Thunersee, wo ich hergekommen bin. Aus Kander- und Diemtigtal kommen keine frohen Botschaften. Da siehts schon recht dunkel aus und darunter milchig - ein sicherer Beweis für Regen. Okay, ich habe mein Glück genug strapaziert - diese Umkehrkurve über dem Platz muss reichen. Weg hier.
Auf der selben Talseite wie ich gekommen bin, düse ich auch wieder zurück. Denn auf der anderen Seite ist das Gebiet der Gleitschirme. Sie sinken aber deutlich schneller ab, als noch vor 10 Minuten - auch das ist ein sicheres Indiz, dass die das Wetter gleich beurteilen wie ich. Ich wackle ein paar mal mit den Flügeln zum Abschied und verkrümele mich wieder in Richtung Napf, während ich wieder einen Gruss aus der Wetterküche abbekomme. Das Wetter wird auf dem Weg in's Mittelland im grossen und ganzen besser, vereinzelt haben sich aber schon grössere Blumenkohle aufgetürmt und einige Segelflieger haben sich bis hier hin vorgewagt. Ich umfliege sie wieder grosszügig und melde auf der Frequenz von Emmen mein Vorhaben und meine Höhe. Und serviceorientiert wie ich bin, melde ich meine Höhe in Fuss und Meter. Die Segelflieger geben ihre Höhen nämlich in Metern und nicht in Fuss an. Auch hier ist wieder Slalom angesagt und zum Schluss hat sich über Zug auch noch ein einzelner Gleitschirm in meinen Weg verirrt. Auch ihm weiche ich aus und bin schon bald über der Linthebene.
Über dem Sector North öffnet sich das Glarnerland und zu meiner Überraschung stelle ich fest: Es schüttet. Ich bin wenig beindruckt, denn der Geist ist in den Openair-Modus verfallen. Und da stört ihn ein bisschen Regen auch nicht. Und auch der Rega-Hubschrauber, der sich über Heli-Route 3 ankündigt (hatte mich also wohl bereits mit gebührendem Abstand verfolgt in der Linthebene) macht mich nicht nervös. Beim Einbiegen in den Final sehe ich dann seine Laterne und er gibt mir direkt "Vorfahrt" indem er sich als "Number two" zur Landung meldet. Jetzt erst, beim konzentrierten Blick durch die Frontscheibe auf die unablässig der Regen prasselt, merke ich: Ich bin ja alleine noch gar nie wirklich bei Regen gelandet, auch wenn's nicht viel ist... Aber lange darüber sinnieren kann ich nicht, denn ich bin bereits im "Gate" über der Piste, ziehe das Gas auf Leerlauf und setze recht weich auf. Hinter mir quert der Heli die Piste, ich drehe um und fahre gemütlich zum Hangar - und freue mich, dass mir der Regen die verklatschte Fauna an den Flügeln schon mal vorwäscht. Vor dem Hangar steht die Zlin - das heisst, dass Urs vermutlich auch irgendwo in der Nähe ist. Ich räume mein Zeugs im Flieger zusammen, stöpsle alle Kabel aus und überlege mir, ob ich jetzt noch warten soll bis der Regen aufgehört hat. Da es aber sekündlich wärmer wird in meinem fliegenden Treibhaus, entscheide ich mich für den Regen. Die paar kühlen Tropfen fühlen sich gut an und schon stehe ich im Hangar, nehme die Stufen hoch zum Briefing Container unter die Füsse und treffe auf Urs und Remo (der Besitzer der Zlin). Ein kurzer Schwatz mündet in der Entscheidung, dass es jetzt "Beer o'clock" ist: Rüber in's Aviatico auf ein kühles Helles. Also eigentlich auch wie am Openair. Wenn ich es recht bedenke, gibt's eigentlich enorm viele Gemeinsamkeiten. Ich schreib's mal auf und schau, was besser ist:
Greenfield | Fliegen | |
Schwitzen | ja | ja |
Bier trinken | ja | ja |
laut | ja | ja |
coole Leute treffen | ja | ja |
verregnet werden | ja | ja |
teuer | ja | ja |
Braucht Flugplatz | ja | ja |
Platz mit komischen Leuten teilen müssen | ja (Punks, die sich im Abfall wälzen) | ja (Gleitschirmflieger, die sich im Aufwind wälzen) |
auf dem Boden übernachten | ja | nein |
Joa, ist zwar knapp aber dennoch eindeutig: Fliegen ist wie Greenfield, nur besser. Und wer jetzt was faselt von "Ja aber Musik?!": Headset. Bluetooth. Spotify.
So, jetzt gibt's noch ein paar Fotos von unterwegs und einen kurzen Video, in welchem ich eine Schneise durch die Copyrights der Musikindustrie ziehe. Aber Lemmy wird's nicht mehr stören, Bruce ist selber Pilot und gemäss Youtube-Copyright-Überprüfung erlauben's die dicken Bonzen der Record Company sogar. Aber bevor du jetzt auf "Play" drückst, gibt's noch einen Genuss-Tipp vom Experten:
Der Video schaut sich am Besten auf 150% Lautstärke, einem warmen Büchsenbier in der einen und einem Landjäger in der anderen Hand.
Freitag Nachmittag, den Bartli zieht's bei heissen 28°C nach Mollis. Heute - wenn das Wetter passt - geht's via Einsiedeln zum Gotthard und über die Surselva dem Rhein entlang zurück an den Walensee. Wenn das Wetter passt, wie gesagt. Denn wenn's draussen so sommert, sind die ersten thermischen Gewitter in den Bergen schon ab dem frühen Nachmittag ein Thema. Und der Gotthard ist ein ziemlicher Berg. Also habe ich in meinen Planungen diverse Abkürzungen eingezeichnet, über welche ich im Notfall schnell ins Flachland entkommen könnte. Und wenn ich gar nicht erst in die Nähe vom Gotthard käme, würde ich dann einfach nach St.Gallen in einen 300.- Kaffee fliegen. Warum ich das so schreibe? In Amerika gibt's den Ausdruck "100-Dollar-Hamburger". Gemeint ist, dass man sich ein Flugzeug reserviert, zum nächsten Platz fliegt und dort einen Hamburger isst. Ich denke der Ausdruck ist schon ein wenig älter, denn mit 100 $ wird man heute wohl auch in den USA nicht mehr weit kommen. Oder man fliegt halt effektiv nur 5 Minuten bis zum nächsten Platz. Anyway, ich packe also mein Zeug in Zulu Charlie, mache den Outside Check im Hangar und wage mich dann an die Sonne. Draussen steht ein französisches Flugzeug, die zwei Piloten höcklen im Aviatico und sonst habe ich den Platz für mich alleine. Ein Blick auf die Uhr: 13:15 und ein kurzer Blick auf den Regenradar: Nichts Wildes auf meiner Route - let's go!
Ich warte noch den Rega Heli ab, der zum Tanken landet und taxle dann in Richtung Intersection Charlie. Mittlerweile sind "les français" bei ihrem Flieger und winken zum Abschied, was ich natürlich erwidere. Ich starte und höre am Funk, dass sie sich hinter mich klemmen. Über dem Sector North verabschiede ich mich von der Platzfrequenz, bleibe aber noch kurz auf der Frequenz um zu hören, was die Franzosen machen. Doch die machen den "Französischen" und sind irgendwann einfach mal weg. Auch okay, ich switche jetzt eh auf die Frequenz von Wangen-Lachen. Da ist einiges los merke ich. Nach ein paar Sekunden realisiere ich, dass ich schon mitten drin bin. Am Funk höre ich Positionen rund um mich herum aber sehen tu ich keinen einzigen davon. Mir wird ein wenig mulmig, ich umfliege den "Sector South" lieber grossräumiger als sonst. Das hat sich aber auch eine VariEze gedacht, die ein paar hundert Meter über und links von mir in Gegenrichtung vorbei pfeift. Ich wackle mit den Flügeln um zu signalisieren "ich sehe dich!". Er wackelt nicht. VIelleicht hat er mich nicht gesehen. Vielleicht ist er angefressen. Oder er winkt einfach nicht gerne.
"Aha. stimmt. Im Steigflug kreuze ich ja nach der Halbkreisregel "seine" Höhe. Ich steige lieber schneller durch auf "meine" Höhe, damit ich nicht den nächsten abschiesse.". Gesagt, getan. Oder zumindest "Gedacht, angefangen". Denn Zulu Charlie läuft schon jetzt mit gemächlichen 300ft/min Steigrate am Limit. Es ist heiss und das mag das Öl im Motor eher weniger. Ich bin schon im gelben Warnbereich und die Nadel wandert konstant nach rechts in den Bereich der rot ist. Das kann ich dem armen Breezer nicht zumuten, also steige ich halt doch nicht so steil und verlasse mich auf meine Augen und auf die vom entgegenkommenden Verkehr.
Wangen-Lachen habe ich mittlerweile hinter mir gelassen und unter mir verschwindet gerade das Kloster Einsiedeln. 6000 Fuss Höhe ist schon noch recht wenig. 9500 habe ich mir vorgenommen, bevor ich den Gotthard unter die Flügel nehme. Aber ich habe ja noch Zeit und ausserdem darf ich hier eh noch nicht so hoch rauf, da über mir die Ausläufer vom "Alpha Niner", dem Korridor der "grossen" Flieger, sind. Max. 7500 Fuss, später dann mal noch 9000 Fuss und viel später dann 13000 Fuss sind die Deckenhöhen für mich. Klar, ich dürfte da schon rein fliegen müsste dann aber mit dem Tower in Zürich sprechen. Das ist per se kein Ding der Unmöglichkeit, aber Zulu Charlie bekäme das ja eh nicht innert nützlicher Frist hin heute. Also zuckle ich mal zum Vierwaldstättersee und lege dort eine 360° Kurve im Steigflug hin. Auf dem Fronalpstock hat's ein Restaurant mit vielen Sonnenschirmen und Leuten. "Denen winke ich mal.". Ich wackle mit den Flügeln und spähe in Richtung Sonnenschirme. Nichts. Okay, ich bin auch ein bisschen weit weg - vielleicht habe ich's auch einfach nicht gesehen. Egal, mein Vollkreis ist vorbei und ich kann jetzt weiter in Richtung Erstfeld. Mittlerweile bin ich auf den geplanten 9500 Fuss (knapp 3000 Meter), das reicht - mit Sicherheitsmargen - für meine nächsten Wegpunkte. Ein paar wenige Cirren und Cumuli beleben den Himmel und ich ertappe mich beim Gedanken "Diese Fliegerei... Also das ist schon eine der besseren Ideen, die du die letzten Jahren hattest...". Ich nicke mir selbst zufrieden zu, während ich Sawiri's Kiesgrube in Andermatt von allen Seiten begutachte.
Auf meiner Höhe ist alles grau und steinig. Hier und da eine Bergstation der vielen Skilifte. Man kann sich in dieser Trostlosigkeit nicht so richtig vorstellen, wie das im Winter aussieht. Ich merke mir das für einen Winterflug zur Kontrolle vor. Ich ertappe mich aber auch beim Gedanken, dass bei der ganzen Klimadebatte genau dieses Bild wie ich es jetzt sehe immer mehr zur Realität werden wird. Und ab Herbst mühen sich dann die Skiliftbetreiber an den Hängen ab, die sich an die Erfolgsrezepte der letzten 40 Jahre klammern und mit Schneekanonen einen aussichtslosen Kampf führen. Ein bisschen beschämt leite ich meinen Vollkreis in Richtung Surselva aus. Beschämt deshalb, weil "mein" Breezer - trotz aller Sparsamkeit - immernoch an die 18 Liter Bleifrei pro Stunde verbrennt. Und damit in etwa gleich viel wie ein mittlerer LKW. Ich transportiere aber nicht 20 Paletten Kartoffeln oder 200 Bio-Daunen-Duvets durch die Schweiz sondern nur mich. Eigentlich schon nicht so nachhaltig. Aber mit diesen Gewissensbissen muss ich jetzt bis auf Weiteres leben.
Als Andermatt gerade links hinter mir verschwindet, verschwindet auch der Lai da Tuma (Tomasee) rechts hinter mir. Er stellt so ungefähr die Quelle des Rheins dar, welchem ich die nächsten 30 Minuten folgen werde ehe ich mich dann in Richtung Walenstadt absetze. Wie ich es gelernt habe, halte ich mich auf der rechten Seite des Tals. Der Gegenverkehr hält sich links von mir. Ich passiere zwei "Kollegen", winke und werde beide male enttäuscht. Mittlerweile habe ich es mir zur Tagesaufgabe gemacht, mindestens einen zum Winken zu bringen. Irgendeiner wird sich doch sicher mal dazu herablassen. Töfffahrer und Busfahrer winken sich ja auch die ganze Zeit gegenseitig zu. Na, ein paar Meilen und Minuten haben wir ja noch.
Ich werde von wildem Gepiepse aus meinen Wink-Plänen gerissen. Irgendwas hupt penetrant in mein Headset, aber es kommt nicht von mir oder Zulu Charlie. Ich checke meine Funkfrequenzen: Aktiv habe ich die Gebirgsfrequenz und auf Monitoring 121.5, die Notfallfrequenz. Ich schalte zweitere kurz ab und siehe da, es ist wieder Ruhe. Mir wird mulmig. Das Gepiepe kommt vermutlich von einem ELT (Notfallsender eines Flugzeugs). Die werden automatisch ausgelöst, wenn sie einen harten Schlag bekommen - wie es bei einem Absturz vorkommt. Oder bei einer seeehr harten Landung. Ich überlege mir kurz, was zu tun sei (soll ich der Luftraumsicherung Bescheid geben, dass ich den höre? Was soll ich denn denen sagen?). Schlussendlich entscheide ich mich nichts zu unternehmen im festen Glauben, dass sicherlich noch jemand mit mehr Expertise auch grad in der Luft ist bzw. die Skyguide diese Frequenz ja auch abhört. Aber ich gehe der Sache mal nach, wenn ich wieder mal auf einen Fluglehrer treffe. Für's Erste schalte ich einfach das Gepiepe ab indem ich die Frequenz nicht mehr abhöre. Aus den Ohren, aus dem Sinn.
Das Gelände neigt sich langsam wieder, ich bin mittlerweile über der Surselva. Die Rhein schneidet einen markanten Geländepunkt vor mir in den Boden: die Rheinschlucht. Links von mir, ganz klein, die Tschingelhörner und das Martinsloch. Das wäre die letzte "Ausweichmöglichkeit" auf meiner Karte falls das Wetter z.B. über Chur einen Durchflug unmöglich machen würde. Aber von schlechtem Wetter fehlt jede Spur, ich fliege unter stahlblauem Himmel weiter dem Vorderrhein entlang bis er sich bei Tamins mit dem Hinterrhein vereinigt. Ab hier heisst er dann bis zur Nordsee nur noch "Rhein" und wird bis nach Holland immer breiter. Kurzer Einschub vom altklugen Lehrer Bartli? Ja? Gut! Der Name "Rhein" geht möglicherweise auf die indogermanische Wortwurzel "H'reiH-" für „fliessen“ zurück. Aus dieser Wurzel entstanden das deutsche Verb "rinnen", das Verb altgriechisch "ῥέω rhéō" (zu deutsch ‚fliessen‘), das lateinische "rivus" (Fluss) – daraus dann spanisch "río" und englisch "river". Ich fliege hier also über das langgezogene Nass, welches fast allen Flüssen der Welt ihren Namen gab. Wow!
Schon biegt der Rhein nach Norden weg, unter mir muss also Chur sein - für den Piloten gut erkennbar am Wort "Chur", welches auf dem GPS angezeigt wird ;-) Aber auch das Windrad im Norden, der Panzerschiessplatz oder der Knick der Autobahn um die Stadt herum geben entscheidende Hinweise. Nächster Waypoint ist Landquart, ich switche schon mal auf die Frequenz vom Flugplatz Bad Ragaz. Der sieht übrigens von oben fast so klein aus wie von nahem. Aber wirklich was los ist dort nicht, dafür aber auf der anderen Talseite. Oben auf dem Gonzen an der Krete sehe ich wilde Flugbewegungen - es sind Modellsegler, die von ihren "Piloten" in den Aufwind geworfen werden. Ich wechsle in die Talmitte, damit wir uns nicht gegenseitig unsere Spielsachen kaputt machen - und natürlich wackle ich wieder mit den Flügeln. Und diesmal sehe ich die Leute genau auf der Krete. Keiner hat gewunken. Ich murmle ein paar Ausdrücke der Enttäuschung in meinem Bart und wechsle auf Höhe der Flumserberge wieder auf die rechte Seite vom Tal. Ein paar letzte Fotos noch, dann fange ich meine Checks für die Landung an. Gerade als ich loslegen will, registriere ich ein Blitzen vor mir. Fast zeitgleich gehts am Funk von Mollis rund. Helikopter, Flugzeuge - in allen Sektoren. In meinem Kopf sortiere ich die uninteressanten Meldungen aus und komme zum Schluss: Das blitzende irgendwas ist ein Flugzeug und es kommt mir entgegen. Ich mache mal eine Positionsmeldung, damit der weiss, dass er hier nicht alleine ist. Die Reaktion: ein steiler Steigflug gefolgt von einem Sturzflug. Entweder Kunstflug oder Schlaganfall. Bei beidem braucht's mich nicht direkt, also fliege ich mal weiter auf ihn zu. Er scheint mich bemerkt zu haben, denn er fällt links von mir vorbei. Ich sehe zwei Motoren und viel blankes Blech. Muss also was älteres sein. Im Nachgang werde ich dann dank Flightradar24 schlauer, es war eine Lockheed A-12. Die ist wohl neu in St.Gallen stationiert und kann - und ab jetzt fängts auch wieder mit der Schleichwerbung an - am Zigermeet 2023 in Mollis bestaunt werden! Packt Kind und Kegel und kommt mit dem ÖV (und sicherheitshalber mit einem Sandwich und ner grossen Flasche Wasser) nach Netstal! Lohnt sich! Eine belgische F-16, zwei französische Rafales, eine tschechische Mi-24, und die halbe Weltkriegsflotte von Red Bull kommen unter anderem auch!
Für heute besteht die Airshow in Mollis aber primär aus mir und mein Programm ist auch nicht so attraktiv wie das der oben genannten. Ich werde zwei, drei Landungen hinpfeffern und dann den Flieger wegsperren. Die erste Landung ist ganz okay, aber ich entscheide mich noch zu einer zweiten. Die wird erwartungsgemäss besser und dann reicht's mir dann auch für heute. Käfer abwaschen und rein in den vergleichsweise kühlen Hangar. Und für dich, wie üblich, noch ein paar Fotos:
15.07.23 - Der erste "Kollegenflug"
Für heute steht auf dem Plan mit meinen beiden besten Kollegen aus Sandkastenzeit die nähere Umgebung zu erfliegen. Dazu treffe ich Thomas gleich nach dem Mittag auf dem Flugplatz, Nicolas kommt später: Ich habe ja nur Zweisitzer im Hangar zur Auswahl. Geplant war ursprünglich ein Rundflug in die Glarner Alpen, aber das Wetter spielt nicht so recht mit. In den Alpen viele Gewitterwolken und ordentlich Wind. Also habe ich kurzfristig umdisponiert; es geht in's Prättigau. Als ich gerade Zulu Charlie aus dem Hangar ziehe, kommt Thomas auch schon angestreunt. Ein kurzer Schwatz, Flieger auftanken und dann erkläre ich auch schon die Einsteigerei. Nach kürzester Zeit hockt Thomas festgezurrt auf dem Beifliegersitz und ich packe mich neben ihn. Deckel zu, Motor an - los geht's. Hinter einem anderen Flieger, welcher grad vom Hangar U3 her auf der Piste nach Süden rollt, fahren wir zum RunUp Area und ich mache Thomas mit den Umständen und Eigenheiten der nächsten Stunde vertraut.
Nachdem alles klar ist und ein ausführlicher RunUp gemacht wurde, heben wir ab in Richtung Norden und Walensee. Weil das Wetter heute bockig ist, holperts mehr als sonst. Das ist meinem Passagier zwar nicht ganz so egal wie mir, aber er schlägt sich gut. Ich erkläre ihm dann ein paar Sachen rund um diese Turbulenzen und suche eine ruhige Flughöhe. Irgendwo so um 5500 Fuss ist's dann recht ruhig und so ziehen wir an eingenebelten Churfirsten vorbei in Richtung Landquart. Thomas nimmt seine Rolle als Spotter ernst und meldet mir sämtlichen Verkehr den er sieht. Gerade im Raum Bad Ragaz sind das doch zwei drei Kontakte, primär Segler und ein Schleppzug. Als wir Landquart vor uns sehen, biegen wir ab in's Prättigau und ich steige weiter hoch. Nach kurzer Zeit erreichen wir Klosters, ungefähr auf der Höhe von der Bergstation Gotschnagrat. Klosters markiert dann auch den Umkehrpunkt für unseren heutigen Flug und so folge ich dem Gelände beim Gotschna, Casanna und der Parsennfurgga. Auf der Passagierseite schweift der Blick über den Davosersee, Davos und das Jakobshorn.
Wieder zurück über Klosters kann ich Thomas anschaulich erklären, weshalb wir heute nicht in die zentralen Alpen geflogen sind: Dunkle Wolken hängen über allen Gipfeln und der Wind ist bis hier hin zu spüren. An die Querelen vom Wind hat sich mein Passagier mittlerweile gewöhnt, das Handy ist deutlich präsenter als noch vor 20, 30 Minuten. Dennoch wird die Luft auf 8500 Fuss langsam unruhig, als wir aus dem Prättigau wieder herauskommen und Landquart hinter uns lassen. Über Sargans haben sich auch schon die ersten Wolken formiert, unter welchen wir im Sinkflug wegtauchen. Auf der Frequenz von Mollis ist nichts los und so entscheide ich mich über dem Sektor East zu einem alternativen Landeanflug. Auf der normalen Anflugroute (zwischen Mollis und Kerenzerberg) hängt eine Regenwolke im Hang. Da reinzufliegen macht keinen Sinn, ist sogar ziemlich verboten. Auf der Frequenz ist seit 10 Minuten nichts los gewesen, also verkünde ich meine jetzige Position und die Absicht, dass ich direkt in den Downwind via Näfels fliegen werde.
Der Flug über Näfels geht brutal schnell und ich bemerke, dass uns ein Nordostwind ziemlich "hilft" dabei. Als ich in den Downwind einschwenke, ist diese Hilfe nicht mehr so willkommen und ich muss schon ziemlich gegensteuern. Ich erinnere mich an meinen Prüfungsflug vor ungefähr einem Jahr, bei welchem mir der Wind meine Landungen auch schon ordentlich versemmelt hat. Ich schwenke in den Final ein und erwarte zünftigen Gegenwind, der auch prompt kommt. Sprichwörtlich alle Hände habe ich voll zu tun und die Füsse werden auch gefordert. Gas geben um gegen den Wind anzukommen, Stick und Ruder koordinieren um auf Pistenrichtung zu bleiben, das Luftloch nach dem Schlatt kompensieren. Dann endlich das "Gate" - Leerlauf und ausfliegen lassen. Der Wind dreht auf Ost, wir driften nach links weg und haben gleichzeitig den ersten Bodenkontakt. Ich korrigiere mit dem Stick und entscheide mich direkt zum Touch&Go. Vollgas, Flaps rein und wegsteigen. Ich bin hellwach. Mein Passagier hat noch nicht so ganz mitbekommen was gerade passiert ist und ist zu Scherzen aufgelegt. Ich erläutere ihm kurz die Situation ohne Panik zu verbreiten und er versteht warum wir schon wieder über Näfels sind. Im Gegensatz zur zweiten Landung bei der Prüfung gelingt diese heute aber recht gut, wenn gleich wohl auch ein wenig geschoben. Immerhin nur mit einem einzigen Bodenkontakt - das muss für heute reichen.
Vor dem Hangar treffen wir Nicolas, welchem ich die traurige Nachricht überbringen muss, dass ich mit ihm heute nicht mehr in die Luft gehe. Aber anhand des Windsacks leuchtet ihm mein Entscheid ein, auch wenn er natürlich enttäuscht ist. Ich verspreche ihm aber, dass wir den Flug in der nächsten Woche nachholen werden, sofern das Wetter das dann zulässt und Flugzeuge zur Verfügung stehen. Den Nachmittag beenden wir im Aviatico und machen uns dann auf unsere Heimwege.
20.07.23 - ...und noch den Anderen abfertigen
Letzten Sonntag musste ich Nicolas ja eine schlechte Nachricht überbringen - die ich aber schon kurz darauf wieder in eine freudige Ankündigung umwandeln konnte. Vier Tage nach dem ersten Kollegenflug konnte ich heute den zweiten in Angriff nehmen. Am Wetter hat sich nicht wahnsinnig viel verändert, aber die Uhrzeit machts. Zwei Stunden früher starten gibt dem Wetter auch zwei Stunden weniger Zeit um sich aufzuheizen und zu turbulenznen...turbulenzieren...turb- ach es ist halt einfach weniger bockig. Routenmässig hatte ich zwar wieder was vorbereitet, aber schon am Vormittag war klar, dass das allenfalls nicht gehen wird. Geplant wäre Mollis - Walensee - Rheintal - St.Gallen - Ricken - Mollis. Aber da's über den Zentral- und Voralpen einige Gewitter- und Regenwolken hat, wird's heute wieder Freestyle mit der Routenführung.
Wir starten um 13:15 in Richtung Sector East, der Wind ist präsent. Wie in einem Lift zieht uns die Bise nach oben, mein CoPilot ist begeistert wie schnell das geht. Über dem Walensee bekommt er was zu tun, denn auch er wird mit der Luftraumüberwachung betraut. Prompt findet er einen Gleitschirm im Gebiet vom Kerenzerberg, um welchen wir eine grosszügige Kurve machen - denn wo einer ist, da ist meist auch noch ein anderer. Wir steigen entlang den verdeckten Churfirsten auf 6000 Fuss und passieren Flums, was Nicolas wieder in Staunen versetzt "Jetzt schon?!". Die Geschwindigkeit spürt man halt echt nicht, wenn man keine bekannten Referenzen hat und so fühlen sich die 170 Km/h halt auch eher gemächlich an - auch wenn das unter Flugzeugen effektiv recht gemächlich ist.
Über Sargans wagen wir uns dann in's Rheintal, in welchem die Sicht schon nicht mehr so gut ist. Den Bodensee kann man in der Ferne zwar ausmachen, man muss aber wissen, dass der dort ist. Dem Rhein entlang hangeln wir uns in Richtung St. Gallen, den Säntis bekommen wir aber nicht zu sehen. Er ist tief in Wolken verborgen - ein Indiz, dass es vielleicht nicht ganz klappen könnte mit der geplanten Route. Wir schauen mal, was passiert. Immerhin den "Hohen Kasten" mit der Antenne sehen wir und weil's schon länger nicht mehr gerumpelt hat, überlasse ich Nicolas mal kurz das Steuer. Der Task "gerade aus fliegen und Höhe halten" erweist sich schwieriger als gedacht und so ist mein Passagier froh, dass ich immer wieder korrigierend eingreife und nach 1, 2 Minuten die Steuerung wieder selbst übernehme. Langsam wird es Zeit nach links in Richtung St.Gallen einzuschwenken. Die Wolken hängen aber tiefer als wir gerade fliegen und so geht's jetzt erst mal runter um unter den Wolken hindurch zu sehen. Nach ca. 1500 Fuss sehen wir dann: nicht viel. Die Sicht ist schlecht und das, was man sehen kann hat einen Wolkendeckel auf. Mal ein bisschen näher ran gehen, vielleicht sehen wir ja Licht am Ende des Tunnels. Fehlanzeige. Es bleibt verhangen und die Turbulenzen nehmen zu. Ich entscheide mich zur Umkehr, für den ersten Flug wäre das kein tolles Erlebnis und auch mir macht's so keinen Spass. Also wieder zurück auf der gleichen Route. Für Extrakurven bleibt aber leider auch keine Zeit mehr, denn über St. Gallen wäre so ziemlich die Hälfte des erlaubt ausfliegbaren Treibstoffes verbrannt gewesen. Macht nix, eine Stunde in der Luft wird's am Ende sowieso sein und das war das Kernziel für heute.
Im Gegensatz zu Thomas ist mein heutiger Passagier aktiver an der Handykamera. Selfie hier, Foto da, schon fast non-stop. Ein Indikator dafür, dass ihm der Flug Spass macht. Genau so soll's sein, cool wenn's meinen Passagieren genau so gefällt wie mir. Mit einem Servicewägelchen oder einer Saftschubse kann ich zwar nicht dienen, aber das wird mit der tollen Rundumsicht mehr als kompensiert. Zurück über dem Walensee wähnen wir uns in einer Geografiestunde und bemerken, dass mir die Dörfer bzw. ihre Standorte eher bekannt sind als Nicolas. Ich fliege ja aber auch nicht zum ersten mal hier durch und für jemanden, der die Ortschaften aus dem Auto heraus oder von einer Landkarte kennt, kann's schon knifflig werden.
Heute hat's keine Wolken über der Anflugroute beim Kerenzerberg und ich fliege den Flugplatz - im Gegensatz zum vergangenen Sonntag - brav gemäss Anflugkarte an. Mir wird wieder bewusst, wie seltsam das für Leute ohne Bergflugerfahrung sein muss, denn mit einem mal wird's neben mir ruhiger. "Öhm... da kommt dann ein Berg." werde ich ermahnt. "Jajo, das muss so sein. Wegen Lärmbelästigung von Mollis.". Das "ok..." von meinem CoPi tönt nicht so ganz überzeugt und die Situation bessert sich auch nicht wirklich, als ich in den Sinkflug übergehe nur um direkt auf den nächsten Berg zu zu fliegen. Nach dem einbiegen in den Downwind ist der nächste Berg dann aber wieder ein bisschen weiter weg und das Handy ist wieder im Aufnahmemodus. Schliesslich fliegen wir ja jetzt über "unser" Quartier, wo wir aufgewachsen sind. Über Netstal und auf 750 Meter über dem Boden fällt die Orientierung dann sichtlich leichter. Auf Höhe von der Seilbahnstation muss ich dann allerdings meine Ohren "abschalten" und mich auf die Landung konzentrieren. Der Wind bläst auch heute nicht zu knapp, aber immerhin relativ gerade von vorne. Das macht den Anflug nicht ganz so mühsam wie letzten Sonntag. Ich habe meine Geschwindigkeit gut im Griff, bleibe recht gut mittig und setze - nach einem "gut definiertem" Ausschweben recht passabel auf. Nicolas versichert sich bei mir, ob wir jetzt gelandet seien - also kann die Landung nicht so schlecht gewesen sein. Jetzt schwingen wir noch rasch die Putzlumpen und gönnen uns etwas im Aviatico, bevor's dann wieder heimwärts geht. Mission accomplished, der engste Familien- und Kollegenkreis durfte mal mit. Jetzt kommt der nächste Kreis an die Reihe :-)
01.09.23 / 08.09.23 / 09.09.23 "Die Alpenüberquerung" oder "das Sommerprogramm"
Sorry, ich hatte Ferien und war weg. Und wenn ich wieder zu Hause war hatte ich weder Bock noch effektiv Platz zum am Blog zu schreiben. Ersteres kannst du vermutlich noch eher nachvollziehen aber beim zweiteren braucht's wohl ein bisschen Erklärung. Und zwar war mein Pult zu Hause vollgestellt mit Bastel- und Modellbauzeugs. Einmal im Jahr packt mich seit 3, 4 Jahren die Modellbauwut und dann muss ich irgendwas bauen. Ob's nun ein Nachbau vom Vorplatz der Ecoflight für meine 4, 5 bereits vorhandenen Flieger ist, das bemalen von Spielfiguren für ein Spiel mit Fliegern oder - wie diesmal - eine Szene, die ich in den Nachrichten gesehen habe. Ich habe mich dieses Jahr in die Idee verrannt, ein Feuerlöschflugzeug zu bauen. Weil dich das aber zu 50% wohl einen feuchten Dreck interessiert, verschiebe ich den Bericht dazu auf eine andere Seite. Falls du dennoch die Story dazu lesen und die Bilder dazu sehen willst: Bitte hier entlang.
Nun da also erklärt ist, weshalb so lange nichts Neues mehr auf meinem Blog zu lesen war steige ich direkt ein mit dem Debriefing meiner drei letzten Flüge. Los geht's am 01.09., da hatte ich geplant einen schon lange halbwegs zurechtgebastelten Flug unter die Flügel zu nehmen. Und zwar einen richtigen Alpenflug: Mollis - Bonaduz - Hinterrhein - San Bernardino - Arbedo - Biasca - Lukmanier - Trun - Linthal - Mollis. Also so richtig Alpenpanorama satt und zum Abschluss noch dem höchsten Glarner "z Zyyt abnih". Das Wetter in den letzten Augusttagen sah nicht wirklich gut aus, der Sommer hatte seinen ersten Schwächeanfall und es schüttete ein paar Tage lang. Wenn ich ehrlich bin sah das Wetter davor aber auch nicht gut aus, allerdings eher weil's einfach viel zu heiss war. "Oben raus" gab's am Monatsende auch schon den ersten Schnee - ein Warnschuss vom Herbst vor den Bug des Sommers. Und mindestens ebenso ein Weckruf für mich, dass noch ein paar Flugstunden gemacht werden wollen. Für den Freitag sah's nicht schlecht aus, der Wetterbericht versprach "Rückseitenwetter" (also grundsätzlich gut, hier und da ein paar Wölkchen und ein bisschen Wind) und am Vormittag noch ein paar Wolkenfetzen am Alpenhauptkamm. "Das reicht mir, ich versuch's!" sagte ich zu mir selbst und kurz nach dem Mittag hob ich WZC und mich dem Walensee entlang empor. Wobei, nein, halt. Bevor ich starten konnte, musste ich ja noch den Flieger parat machen (tanken, ölen, streicheln usw.). Und wie's halt so ist, zieht ein Flieger in der prallen Mittagssonne den ein oder anderen Schaulustigen an. Heute war's "Fridli" (Name durch die Redaktion geändert), ein pensionierter Landwirt. Dessen Mission war heute mit seinem E-Bike von Näfels nach Netstal zu fahren. Und weil diese Strecke halt arg kurz ist, hatte er offensichtlich Zeit um Pausen zu machen. Ich war grad im Hangar beim Öl vom Kanister in den Messbecher um leeren als ich eine Bewegung beim Tor vernahm. Ein kurzer Blick ein freundliches "Moi!" und die Sache war für mich erledigt. Will halt wieder mal einer in den Hangar schauen, passt schon. Als ich wieder raus schlurfe stand er dann neben dem Flieger und wir kamen in's Gespräch. Selbst gesteuert habe er einen Flieger noch nie, sei aber schon ein paar mal mitgeflogen. Er nennt ein paar Namen von bekannten Piloten - einige davon haben ihren aller letzten Flug aber schon vor Jahren angetreten - und stellt in Aussicht, dass er demnächst mal wieder mit einem mit sollte. Das Angebot stehe schon, er müsse nur mal noch einen Termin finden. Ich stimme zu und empfehle nicht allzu lange damit zu warten, realisiere dann aber, dass man das falsch verstehen könnte und schiebe nach "...der Sommer hält nicht mehr lange. Aber eigentlich sieht's ja auch im Winter schön aus.". Als nächstes geht's um die Route, die ich heute fliege. Ich verrate ein paar meiner Stationen und das öffnet das Feld für neue Informationen. Dort war er schon mal im Militär, dort wirtschaftet eine Nichte von ihm und so weiter... Nach weiteren 15 Minuten ist der Flieger ready und ich gemäss Plan schon seit 10 Minuten in der Luft. Also muss ich Fridli jetzt langsam abklemmen oder weitergeben - ich wähle letzteres, denn nebenan bei der Fluggruppe macht einer grad den/die Robin bereit. Ein Vierplätzer. Ideal für Rundflüge. Und da hat's sicher auch noch eine Tafel draussen mit den Rundflugrouten und so weiter und so fort. Fridli schwingt sich auf sein Rad und fährt die 20 Meter weiter. Indes schliesse ich den Hangar, flitze zurück zum Flieger und verkrümle mich in's Cockpit um gleich darauf den Motor laufen zu lassen. Ein paar Augenblicke später bin ich schon auf dem Weg zur Intersection Charlie und winke Fridli zum Abschied zu. Ein paar weitere Augenblicke weiter liess ich Mollis unter mir und zweigte nach rechts ab, dem Walensee entlang in den Osten.
Über Bad Ragaz ging's in's Taminatal und vorbei am imposanten Stausee "Gigerwald", welcher den Blick in's Calfeisental dominiert. Weiter ging's über den Gunggelpass (ja sorry, da drückt der spätpubertäre Zwangsvulgarismus durch - eigentlich heisst er "Kunkelspass") und schon bin ich über Bonaduz. Dank der geringen Aussentemperaturen steige ich zügig und erreiche meine gewünschten 10'000 Fuss (also gut 3000m) schon recht früh irgendwo über "Tartar" (Ja, heisst wirklich "Tartar" haha!). Damit du jetzt nicht googlemappen musst: Tartar ist so ein Weiler oberhalb von Cazis (welches wiederum grad neben Thusis liegt). Wenn du jetzt immer noch nicht weisst, wo ich grad bin: https://www.google.com/maps/place/Tartar,+7422+Cazis/@46.7219405,9.4003868,8802m/data=!3m1!1e3!4m6!3m5!1s0x4784ea3ca1b0fe8f:0xe7b157e93f9ee373!8m2!3d46.71864!4d9.41805!16s%2Fm%2F026g16t?entry=ttu
Die Luft wird bockiger und die Wolken nehmen zu. "Na ich flieg mal weiter bis Andeer und spienzle dann mal in Richtung Hinterrhein, vielleicht muss ich nochmals ein bisschen runter um an der Wolke über dem Sufnersee vorbei zu kommen...". Ein bisschen unwohl fühle ich mich schon. Absinken um in ein ansteigendes Tal einzufliegen aus welchem dann nur noch mit einer Umkehrkurve rauskommt... njäääch...schon nicht so ganz im Sinne der Sicherheit. Ach egal 1000, 2000 Fuss machen den Braten nicht feist, Power reduzieren und runter geht's. Über Andeer bin ich auf 8000 Fuss und mogle mich unter der Wolke um die "Ecke", dem Teurihorn. Über dem Sufnersee sehe ich links den Splügen und dahinter Wolken. Schon mal kein gutes Zeichen. Gerade aus sieht's nicht besser aus - den eigentlich markanten Panzerschiessplatz am Ende des Tals sehe ich nicht und die Strasse den San Bernardino hinauf endet irgendwo in einer grauen Pampe. Zwei, drei blaue Löcher hat's zwar über mir - aber hat's die auch im Süden? Hat's die auch über dem Lukmanier? Hätte es die im schlimmsten Fall auch in einer halben Stunde noch hier? Alles fragen auf die ich mir sagen muss: "Keine Ahnung - also dann zu 50% nicht...". Die Geschichte wird mir zu heiss, ich entschliesse mich zur Umkehrkurve, bevor ich mich zu weit in die Suppe wage. Ein bisschen angesäuert schleiche ich zurück nach Bonaduz und werde dabei doch noch recht durchgerüttelt. "Okay, Tessin wird nichts. Aber ich habe eigentlich genug Flugsaft im Tank um wenigstens den Rest der Route noch auszukundschaften. Und vielleicht ist's ja beim Tödi besser als am Hauptkamm und ich komm so in's Glarnerland zurück." Also fliege ich der Nationalparkgrenze entlang in Richtung Disentis. Vorbei komme ich da an meinem "Exit" in's Glarnerland - welcher aber von einer recht klar definierten aber recht durchlässigen Wolke bewacht wird. Links und rechts käme man schon durch. Wenn man denn die Sicherheitsmargen ignoriert oder zumindest sehr schlecht im Entfernungen schätzen
ist. Na, ich muss ja zuerst noch weiter zum Lukmanier, vielleicht passiert hier ja unterdessen noch was.
Über Disentis biege ich in Richtung Süden zum Lukmanier ab und muss auch hier schon nach kurzer Zeit den Rückzug antreten. Nicht mal den See sehe ich. Das grau der Staumauer geht nahtlos in's Grau der Wolke über. Grml. Aber war eine gute Entscheidung beim San Bernardino nicht aufs Glück des Sonntagsgeborenen zu hoffen - hier hat's gar keine Lücke. Also wieder zurück nach Disentis und zurück zum Tödi. Den sieht man recht gut, aber drum herum hat's überall ein paar Fetzen von dieser Naturwatte. Viel hat sich nicht getan an der Wolke über dem Kistenpass. Auf der Gebirgsfrequenz höre ich schon seit ein paar Minuten aufmerksam zu, was so läuft. Auf der anderen Seite gurken zwei Helis herum. Ich überschlage mir im Kopf rasch den Worst Case "Ich verschätze mich masslos mit den Abständen der Wolken zu mir, schiesse durch das blaue Loch dort und dahinter direkt in einen Heli, der hinten und vorne nicht mit mir rechnet" und entscheide: Zurück via Chur ist die Wahl des Weisen.
Und ab hier passiert auch nicht mehr viel Spannendes oder Unerwartetes - darum gibt's keinen Bericht darüber. Aber als Entschädigung ein paar schöne Fotos von frisch gezuckerten Bergen.
08.09.23 Alpenüberquerung die Zweite...
Der zweite Versuch! Heute sieht der Wetterbericht noch besser aus als letzte Woche, der einzige Wermutstropfen ist die Sicht unterhalb 5000 Fuss (es hat Dunst). 10 Kilometer weit sieht man nicht immer, aber für mein Vorhaben muss das auch gar nicht sein. Ich starte meine Route wieder genau gleich, von der Uhrzeit her jedoch ein bisschen später. Der Grund dafür: Ein Fluglehrer hat meinen Termin ohne Absprache mit mir nach hinten geschoben, damit er mit seinem Flugschüler länger fliegen kann. Als ich dann aber im Hangar stehe und nochmals ins Reservationstool schaue sehe ich, dass die beiden ihren Termin komplett nach der Verschiebung grad komplett abgesagt haben. Ich murmle ein paar Flüche in meinen Bart, entscheide aber Milde walten zu lassen: Der entsprechende Fluglehrer ist ein netter Kerli und vielleicht hat er's ja gar nicht absichtlich gemacht. Beim nächsten mal lege ich ihm dann aber einen Reisnagel auf den Sitz. Anyway - tanken, Preflight Check, einsteigen und los geht's.
Ich mach's mir leicht und nehme die genau gleiche Route wie vor sieben Tagen. Also wieder am Stausee Gigerwald vorbei und weiter nach Andeer. Schon auf dem Weg hierhin hat's deutlich weniger Wolken, aber ausserhalb der Alpentäler ist der Dunst gut ersichtlich. Zum ersten mal bewusst wird mir das über Sargans, denn der Bodensee - den man bei guter Witterung von hier aus sehen kann - versteckt sich hinter einem silbernen Vorhang. Ich setze meinen Steigflug stur fort, aber ich muss relativ schnell einsehen, dass ich nicht so steil steigen kann wie gewünscht. Die Temperatur ist immer noch sommerlich und so muss ich, dem Motorenöl zuliebe, flacher steigen. Aber schon bevor ich über Andeer bin sehe ich bis zum San Bernardino und freu mich wie ein Schnitzel - heute komme ich drüber, denn es hat nicht eine Wolke im Gebiet. Mit einem breiten Grinsen biege ich nach Süden ab und quere den San Bernardino. Dahinter wird die Bodensicht rasch schlechter, was aber nicht weiter überraschend ist. Ich bin mittlerweile auf über 3500 Metern über Meer. Gemäss meinem Plan müsste ich jetzt eh absinken, zum einen weil man hier oben zwar weit sehen kann aber nichts wirklich genau. Wird also irgendwann langweilig. Zum anderen ist die Luft hier oben effektiv dünn - all zu lange sollte ich nicht hier oben herumhängen, denn der Sauerstoffmangel könnte gefährlich werden. Bis 3000 Meter ist's für einen durchschnittlichen Menschen kein Problem, alles darüber kann(!) problematisch werden. Weil ich das nicht unbedingt herausfinden will, sieht mein Plan vor über Mesocco in den Sinkflug zu gehen und mich auf knapp 2300 Metern niederzulassen, bis ich dann vor dem Lukmanier wieder aufsteige. Da die Sommerhitze mir aber schon beim vorherigen Aufstieg ihre Auswirkungen gezeigt hat, entscheide ich mich für knapp 2900 Meter, also 9500 Fuss. Über Arbedo schaue ich in die Magadinoebene herunter. Von hier aus müsste eigentlich der See, der Flugplatzlocarno und das namensgebende Dorf "Magadino" sichtbar sein. Wenn man weiss, dass das alles "dort vorne" zu sehen ist, sieht man's auch. Für den Unkundigen wird's aufgrund des Dunstes aber schwierig. Damit habe ich jedenfalls den südlichsten Punkt meiner Reise erreicht und biege ins Rivieratal ein, welchem ich bis Biasca folge. Ab Biasca beginnt wieder ein Steigflug, denn der Lukmanier will überwunden werden. Durch das Bleniotal geht's via Acquarossa nach Blenio und - dank der bereits erreichten Höhe - sehe ich in der Entfernung bereits den höchsten Glarner. Seine Form lässt keinen Zweifel zu, dort hinten ist schon der Tödi. Ich biege aber zunächst links weg und fliege weiter zum Lukmanier. Den erkennt man natürlich an seinem Stausee über welchen- was ich so noch nie gesehen habe - eine Stromtrasse führt, mit einem Masten mitten im See drin. Ich überfliege die Kantonsgrenze vom Tessin nach Graubünden und bin mitten über dem See, auf der rechten Seite ist der Berg Scopí in kleine Wölkchen gehüllt, durch welche die Bergstation der Seilbahn und ein paar weitere Gebäude hindurch blitzen. Die Seilbahn ist nicht öffentlich nutzbar, sondern nur fürs Militär welches dort oben eine Radarstation betreibt.
Nachdem das Militär mir keine F/A-18 auf den Pelz gejagt hat bin ich auch schon bald über Disentis und nehme Kurs auf Trun. Ab jetzt brauche ich keine Karte mehr, der Tödi ist mein "Leuchtturm" und zeigt mir den Weg. Hier sieht das Gebirge richtig trostlos aus, kein einziger grüner Fleck. Nur grau und weiss in unterschiedlichen Schattierungen. Und dennoch üben die Formen und das Schattenspiel eine ganz besondere Faszination aus. Als krasser Gegenpol zu den schroffen und klar definierten Felskanten ist hier die Plattentektonik der Erde sehr gut erkennbar am Bifertenstock, dem zweithöchsten Glarner Berg nach dem Tödi welcher gleich hinter ihm thront.
Auf der anderen Seite des Flugzeugs schiebt sich der gestaute Limmernsee unter mir durch und gleich dahinter bzw. darüber folgt der ebenfalls gestaute Muttsee. Hier oben kriegt alles ne Staumauer was grösser als fünf Badewannen ist könnte man meinen. Aber macht ja auch Sinn, so rein vom Standpunkt der Energieversorgung aus gesehen - und im Vergleich zu einem AKW oder einem Kohlekraftwerk ist sind diese Stauseen wahre Gretamauern. Klar, irgendein Naturschützer wird sich trotzdem aufregen, da irgendwo am See früher ein spezieller Käfer oder eine Kröte gewohnt hat, die jetzt nicht mehr dort leben kann. Aber darum geht's ja hier grad nicht. Um das Klima nicht noch weiter zu erwärmen entlasse ich den Motor in den Leerlauf und beginne meinen Sinkflug in Richtung Schwanden. Theoretisch möchte ich dort auf ca. 4500 Fuss sein bzw. über Schwanden kreisen um auf diese Höhe zu kommen, aber vor ein paar Tagen gab's hier einen Hangrutsch und die Behörden wollen Schaulustige abhalten dort ihre Drohnen fliegen zu lassen - also gibt's eine Flugverbotszone bis auf eine Höhe von 5500 Fuss. Aber bis dorthin kreise ich herunter und schlüpfe dann über den Sektor Süd über den Flugplatz Mollis wo ich zwei Minuten später ohne Probleme lande. Ein Anruf zu Hause bleibt - überraschenderweise - unbeantwortet. Na gut, dann muss ich halt in's Aviatico rüber für ein Feierabendbierchen - lange überlegen muss ich dazu nicht. Und kurz nach dem ersten Schluck klingelt das Telefon dann auch schon: Mama und Papa sind vom Wandern zurück und sind ab sofort wieder besuchbar. Na dann, austrinken und auf die andere Talseite rüber!
09.09.23 - Kolleginnenausflug
Für heute hatte ich den Flieger einfach in's Blaue hinaus reserviert mit der Idee "Da frage ich dann eine Kollegin, die wollte ja auch mal noch mitkommen.". Die hatte dann aber keine Zeit. Gut, gehe ich halt in der Liste weiter. Noch eine Kollegin - noch eine, die keine Zeit hatte. Die dritte hätte Bock gehabt, lag aber mit Schnupfen im Bett. Da hat's mir gereicht, gehe ich halt alleine. Die Idee für diesen Flug war dann aber immerhin das "Erkunden" von Routen für zwei Personen. Also irgendwas cooles, was in 45 - 60 Minuten machbar ist und nicht alltäglich ist. Okay, für die meisten meiner Passagiere ist ein Flug wohl so oder so nicht alltäglich, aber du weisst was ich meine.
So eine ganz genaue Route hatte ich dafür nicht im Kopf, aber ein paar Wegpunkte hatte ich mir abgesteckt: Einsiedeln (Kloster) - Mythen (zwei markante Berge) - Muothatal (enges Tal) - Pragel (warum auch nicht?) - Glärnischfirn (Gletscher) - Klöntal (See) - Mollis (Landen). Würde eine knappe Stunde dauern, hat von allem was die Schweiz ausmacht was dabei (vielleicht nehme ich noch ein Gourmetplättli mit in den Flieger? Mit Käse von den entsprechenden Orten? Die anderen Piloten würden mich lieben hahahaha!) und den Gletscher vom Glärnisch sieht man auch nicht einfach mal so.
Also düse ich am späteren Nachmittag (so gegen halb fünf) los, merke aber über Reichenburg, dass der Dunst heute noch dichter geworden ist. Vielleicht liegt's aber auch am Sonnenstand, auf jeden Fall sehe ich nicht wahnsinnig viel. Auf der Frequenz von Wangen-Lachen ist recht was los, ist halt Weekend. Ich fliege knapp am Sector South von Wangen-Lachen vorbei, höre auf deren Frequenz mit und verfolge den Traffic auf dem Tablet mit. Ohne das Tablet wär's mir hier noch mulmiger, als es ohnehin schon ist - weil ich seh zum Teil effektiv nichts. Spontan fällt mir wieder eine Passage aus einem Iron Maiden Song ein "... Ten Me-109s out of the sun...", Zehn Me-109 aus der Sonne. Also das, was die amerikanischen Bomberpiloten über Europa am meisten fürchteten: Feindliche Jagdflugzeuge mit der Sonne im Rücken. Und jetzt kann ich das auch ein wenig nachvollziehen. Aber nicht nur die Sonne und der Dunst machen mir das Leben heute schwer, sondern auch der Geruch von Verbranntem. Aber es ist ein vertrauter, fast angenehmer Brandgeruch: Holz! Kurz überlege ich, ob irgendwas am Breezer aus Holz ist und ich mich sorgen sollte. Aber nein, an diesem Flieger ist alles aus Alu und Plastik. Ich strecke meine Nase in alle Richtungen, murmle in meinen Bart, dass ein "Bubble-Window" schon mega praktisch wäre... Bis mir dann einfällt, dass ich diese Mühle ja selber fliege und Kurven machen kann. Und so fange ich halt mal an zu schaukeln und schlängeln und merke: Ha, da unten brennt's! Und ein Helikopter kreist auch dort unten herum mit einem Bambi Bucket... Ich passe meinen Flugweg an um den Heli im Blick zu behalten, auch wenn der wohl eher nahe am Boden bleibt. Und wer weiss, vielleicht fliegt ja hier gleich auch noch ein Rega-Heli ein. Ein paar Tage später habe ich im Internet herausgefunden, dass da ein Stall gebrannt hat. Niemand wurde verletzt, der Bauer hat die Viecher alle rausschaffen können - aber der Stall ist komplett abgebrannt.
Nachdem ich aus dem Rauch raus bin, sehe ich den Sihlsee, das Wilerzeller Viadukt und dahinter das Kloster Einsiedeln - mein erster "Waypoint". Mein Blick schweift in Richtung meines zweiten Wegpunktes, den beiden Mythen. Und hier kommen mir schon die ersten Zweifel auf; der Dunst geht fast nahtlos in Wolken über. "Na mal schauen, vielleicht sieht das ja besser aus, wenn ich die Sonne im Rücken habe und näher an die Berge komme." beruhige ich mich. Über dem Kloster drehe ich zu den Mythen ab, sehe aber irgendwie wieder nichts. Auf dem Tablet melden sich zwei, drei Hängegleiter oder Gleitschirme in dem Gebiet und mir reichts. Alle werden mir sicher nicht angezeigt und wenn ich dieses Fallobst nicht sehe, will ich nicht zwischen denen hindurch sausen. Also hake ich die Mythen für heute mal ab - düse ich halt mal noch zu der zweiten Brücke (Steinbach Viadukt) da hinten. Da hinten angekommen merke ich, dass das mit dem Dunst und den Wolken auch mit der Sonne im Rücken nicht wirklich besser wird. Und dann kommt hier dann auch noch so ein "Danger Area" - auf dem "Ochsenboden" hat's ein Testgelände von Rheinmetall. Hab mal kurz gegooglet, damit du's nicht machen musst: Hier werden Mittelkalibermunition, Flugabwehrsysteme und anderes Zeug getestet, was einem Breezer nicht wirklich bekommt. Bloss weg hier. Wenn das Zeug da unten so gut funktioniert wie der Rest der Armee, dann habe ich demnächst ne Schaufel Wolfram im Cockpit, auch wenn heute Samstag ist.
Ich bin konsterniert. Eigentlich will ich noch nicht zurück aber das Wetter wird nicht besser werden und für den Sonnenuntergang reicht der Sprit nicht. Ach ich zuckel halt mal in Richtung Glarnerland zurück, vielleicht kommt mir ja noch die zündende Idee. Ich drehe ab, fliege in gebührendem Abstand zum kokelnden Stall bei Wangen-Lachen vorbei und entscheide, dass ich ja wenigstens eine Schleife um die Churfirsten herum fliegen und dann über Amden zurück nach Mollis luftwandern könnte. Mjoah, was soll ich sagen... Die Wolken waren auch an den Churfirsten dran und ich breche auch dieses Vorhaben irgendwo über Walenstadt an. Langsam ist auch das Benzin durch, es geht nach Hause.
Plötzlich fängt mein Tablett fängt an zu blinken und die Frau im Breezer ruft "Traffic!", mein Kopf rotiert, sieht aber nichts. Ein Blick aufs Tablet verrät: ein Jet mit dänischer Kennung, ungefähr auf selber Höhe links hinter mir auf der anderen Seeseite, mit selber Flugrichtung. Hö? Jet? Auf dieser Höhe? So langsam? Seltsam. Auf der Molliser Frequenz ist er nicht... Wo will denn der hin? Und wie? So sehr ich mich auch verrenke, ich sehe ihn nicht. Ich fliege ein paar leichte Schlangenlinien, damit sich die polierten weissen Flächen vom Breezer hoffentlich in alle Richtungen spiegeln und er mich dann wenigstens sieht. Er hält seinen Abstand bei und irgendwann ist er nicht mehr auf dem Tablet ersichtlich. Ich entscheide mich, dass ich jetzt einfach auf seine Seite hinüberziehe, um meine Landung in Mollis in Angriff zu nehmen. Wenn er seinen Flug richtig vorbereitet hat, dann muss er damit rechnen, dass ich das mache. Erst später zu Hause werde ich herausfinden: Es war ein dänischer Segelflieger, der zusammen mit ein paar Kollegen in Schänis die ganze Woche Ferien gemacht hatte. Hätte ich vielleicht herausgefunden, wenn ich mal noch deren Frequenz gecheckt hätte. Im Nachhinein ist man halt immer klüger... Als ich den Kerenzerberg anvisiere, fliege ich wieder einfach ins "schwarze". Näfels, Mollis und Oberurnen sind voll im Schatten und ich hab die Sonne wieder im Gesicht. Aber hier kenne ich die Topographie immerhin recht gut und kann auch bei schlechter Sicht gut einfliegen. Was ich aber nicht steuern kann: Den Hängegleiter, der sich gerade von links in meinen Flugweg schiebt. Klar, er hat "Vortritt" - aber einfach gerade aus in meinen Flugweg rein? Ich lasse ihm den "Schwäbischen Gruss" zukommen, fliege eine grosse Kurve um ihn herum und schleiche mich über die Fachtegg nach "Overhead". Zum Glück steht die Sonne schon tief und so kann ich guten Gewissens den Bogen um Mollis herum fliegen. Als ich mich über dem Platz melde, ist immer noch reger Verkehr auf der Frequenz. Zwei rollen noch zum Holding Point 01. Ich melde den Downwind und erhalte als Antwort, dass sich der erste aufstellt zum Start. Sekunden der Stille. Der zweite fragt den ersten, der hörbar nicht von hier ist, ob er denn langsam mal los wolle. Er quittiert mit der Startmeldung und ich denke mir, dass der zweite wohl jetzt abwartet bis ich gelandet bin. Denkste. Ich bin am Ende vom Downwind und der zweite meldet, dass er aufliniert zum Start. Easy, ich hab keinen Stress und melde, dass ich den Downwind verlängere. Er meint nur, ich soll normal weiter machen - er sei schnell weg. Na gut, wenn du meinst. "Okay, merci. Hotel Zulu Delta, turning Base.". Nichts passiert. "Hotel Zulu Delta, turning final." "Vorname bist du schon weg?" fragt der, der mir die Bahn versperrt und den ich mittlerweile quasi im Fadenkreuz habe. Sekunden vergehen "Jaaaa... ich bin über dem See." "Super, ich komme, taking off." "Hotel Zulu Delta, long final runway 01, full stop - schöne Flug!". Die Landung klappt gut, wenn auch ein Mü zu kurz, da hat mich noch eine Böe erwischt zwei Meter über dem Boden und drückt mich in die Piste. Aber ich hopse nicht mehr weg sondern bleibe fix mit dem Boden verbunden. Naja, keine Glanzleistung aber der Flieger ist noch ganz und der Notfallsender hat auch nicht ausgelöst. Zur "Belohnung" gibt's zum Abschluss der Ferien heute wieder mal Burger King von der Autobahn :-P
16.12.23 - Passagierrouten Scouting #2
Wie üblich war der Herbst die Zeit von viieeel Arbeit im Büro, entsprechend selten kamen die drei Faktoren "freie Zeit", "gutes Wetter" und "freie Flugzeuge" zusammen. Und die brauche ich, um mich in einen Breezer zu schwingen. Heute hat's aber endlich wieder mal geklappt. Das Reservationssystem hatte die letzten zwei Wochen auch schon reklamiert, dass ich nicht genug Landungen gemacht habe um Passagiere mit zu nehmen. Ursprünglich war dann auch die Idee "Ach, dann geh ich halt mal drei Landungen machen - das geht auch bei schlechtem Wetter.". Aber am Samstag war dann Kaiserwetter. Sogar bis runter nach Rapperswil war der Himmel blau und mein Solarpanel auf dem Balkon pumpte ordentlich Sonne in seine Batterie. Also entschied ich mich spontan, mein Programm zu erweitern und die drei Landungen an's Ende davon zu hängen. Ich wollte ja mal noch ein zusätzliches Programm für Passagiere erfliegen - das sollte heute machbar sein. Um 13.00 Uhr stand ich dann in Mollis und Zulu Charlie stand schon in der Sonne bereit. Die beiden Vormieter waren gerade mit dem Debriefing im Container fertig und informierten mich über ein Gebrechen von Zulu Charlie. Scheinbar habe der Motor oder das Treibstoffsystem ein Problem bei einem Kaltstart. Als sie den Motor am Vormittag zum ersten mal starten wollten, sei er partout nicht angesprungen sondern jedes mal abgesoffen. Auch alle Tricks aus der Kiste des Fluglehrers haben nicht geholfen und so musste dann ein externes Vorwärmgerät zu Hilfe genommen werden. Wenn der Motor dann aber warm sei, laufe alles wie gewohnt und auch im Flug sei alles perfekt. Ich solle jetzt also bloss nicht zu lange warten, denn sie seien erst gerade vor 30 Minuten zurückgekommen - jetzt sei's vermutlich kein Problem den Motor zum laufen zu bekommen. Also dann nichts wie los!
Um 1330 sitze ich dann festgezurrt im Cockpit und ein paar Meter nebenan sehe ich dasselbe bei Zulu Bravo. Er ist schon ein paar Punkte weiter als ich bei seiner Checkliste und als ich den Motor beim ersten Versuch zum laufen bekomme zuckelt er schon los zur Intersection Charlie. Eine halbe Minute später bin ich ebenfalls soweit und hänge mich ihm an die Fersen. Beim Holding Point Runway 19 sehe ich dann, dass er nicht so richtig mitgedacht hat und den Platz für sich alleine hortet. Ich frage via Funk "An Zulu Bravo von Zulu Charlie". Ich sehe wie er zu mir rüber schaut und im gleichen Moment ertönt auf der Frequenz "Jaaaaaa, Stefan?" aus einem Helikopter auf der gleichen Frequenz. "Könntest du ein paar Meter vorfahren, damit ich auch noch Platz habe?" "Ouuuuh, sorry, ich dachte das war für mich..." meldet der Heli zurück - aber Zulu Bravo hat ja auch mitgehört und bestätigt, dass meine Anfrage durchaus im Bereich des Machbaren sei. Nachdem er ein paar Meter vorgerückt ist, kann ich mich schräg hinter ihm an meinen Runup machen. Als ich damit beinahe durch bin, düst er auch schon an mir vorbei und die Piste ist frei für mich. "Hotel Zulu Charlie, taking off runway One Niner, outbound direction Sector North.".
Wie noch bei jedem Flug seit der bestandenen Prüfung stellt sich schon zwei drei Minuten nach dem Start ein breites Grinsen ein. Ich kann's irgendwie immer noch nicht so recht glauben, dass es Leute gibt die mir einfach so ein Flugzeug anvertrauen. Und es fliegt auch jedes mal ein bisschen Surrealität mit, wenn ich den vertrauten Boden so schnell nach unten verschwinden sehe. Fliegen ist einfach geil. Über dem Obersee (also den Ostzipfel vom Zürichsee, nicht der oberhalb Näfels) muss ich dann schon das erste mal mein Handy zücken: Ich fliege an der Nebelgrenze. Nicht die vertikale Grenze, wo ich mich darunter oder darüber befinde, sondern wirklich "hier zwischen Boden und Sonne keine Hindernisse, dort drüben 100 Meter über dem Boden dicht.". Und Rapperswil scheint heute gerade so einer der Grenzposten zu sein, welches den Nebel nicht weiter vorrücken lässt. Alles was westlich oder nördlich davon liegt, hockt in der Suppe. Und von links wärmt mich die Sonne, der Blick in die Alpen ist frei und über dem Tödi sehe ich eine Lenticularis Wolke (auch bekannt als "Föhnfisch"). Ich bin so richtig happy. Klar, der "Föhnfisch" ermahnt mich auch, dass es an den Alpen dann ruppig werden könnte - aber grad jetzt im Moment bin ich der glücklichste Mensch weit herum.
Über Einsiedeln habe ich kurz Mühe mich zu orientieren, da alles weiss ist - aber die beiden Mythen erkenne ich dann recht schnell und weiss wieder, wo ich in etwa bin. Aus dem DABS weiss ich, dass die Danger Area des Flugabwehr-Test-Geländes nicht aktiv ist und so ignoriere ich die Warnung auf dem Tablet, die vor meinen Einflug warnt. Schon sehe ich mein Zwischenziel, das Glärnischmassiv und seinen Gletscher und biege über dem Muotathal in dessen Richtung ein. Im Gletscher hat's noch keine charakteristischen "Haken" von Gletscherfliegern und auch auf der Gebirgsfrequenz höre ich niemanden in der Nähe. An der Nordflanke vorbei, geht's weiter über den Vorderglärnisch in's Grosstal Richtung Tödi. Auf 10'000 Fuss macht sich der Nordföhn langsam bemerkbar, ich werde richtiggehend nach Süden geschoben. Über Linthal habe ich um die 11'000 Fuss erreicht und der Wind wird bockig. Ich entschliesse mich, nicht näher an den Tödi heran zu fliegen, mache kehrt und überquere die Berge zwischen Kärpf und Hausstock. Ein bisschen erinnert die ganze Szenerie an den Eisplaneten Hoth aus Star Wars. Eigentlich erwarte ich jeden Moment, einen AT-AT am Boden ausmachen zu können. Aber anstelle eines AT-AT sehe ich nur einen Helikopter, der sich am Martinsloch vorbei schraubt. Als er schon längst weg ist, folge ich seinem Flugweg in entgegengesetzter Richtung zurück nach Mollis. Die Täler unter mir sind längst schon wieder im Schatten und so denke ich mir, wird wohl auch allfälliger Bodennebel nicht mehr lange auf sich warten lassen. Also besser zurück zum Horst, denn ich will ja noch zwei Touch&Go Landungen machen. Im Anflug auf den Flugplatz vermute ich keine Veränderung beim Wind am Boden und stelle mich auf eine Landung auf Piste 19 ein. Doch als ich den Windsack erspähe, hängt der lustlos nach unten. Es gilt also "Captain's Choice" für die Wahl der Piste. Kurz überlege ich mir, ob ich mit meinem Plan für Piste 19 weitermachen soll, da die deutlich seltener in Verwendung ist. Ich entscheide mich dann aber doch für Piste 01 - dort lande ich häufiger, also sollten Anflüge/Landungen auf der besser sitzen. Alle drei Landungen kommen recht gut, ich bin von mir selbst ein bisschen beeindruckt - trotz der dreimonatigen Pause funktioniert das alles noch ganz gut. Nach der Landung inspiziere ich Zulu Charlie, aber aufgrund der eisigen Temperaturen habe ich keine Fliegen, Mücken oder anderes Kleinstgeschmeiss erwischt. Die Finger sind dankbar: heute braucht's keinen nassen Lappen. Also schnell in den Hangar und dann wieder in's Auto - der Wocheneinkauf will noch gemacht werden.