ready for departure
Mein digitaler Flugplatz

D-Day

Die ganze Plackerei, die tollen Erfahrungen und neue Freundschaften - alles führt schlussendlich zu diesem einen Tag: PPL Skilltest. Bringen wir's hinter uns, oder?


12.07.22 - It's time...

Und wieder muss ich früh aufstehen, doch heute ist es kein Problem. Hab eh nicht richtig geschlafen. Also schon um 0600 raus aus den Federn und ab an den PC um das Briefing zu komplettieren. So beginnt die Prüfung nämlich; mit viel Papierkram. Nebst dem Wetter will der Experte auch noch eine Start- und Landestreckenberechnung, eine Treibstoff- und Schwerpunktberechnung und selbstverständlich ein genaues Routing. Ebenfalls verlangt er Auskunft über allfällige Probleme im Luftraum (DABS). die aktuellen Wartungsberichte bzw. verbleibende Zeit bis zur nächsten Wartung, spezielle Verfahren auf und um die beiden heute angeflogenen Plätze und den Ausweichplätzen. Und selbstverständlich will er auch noch Bestätigungen zu den Theorieprüfungen, meinem medizinischen Zustand, den absolvierten Trainingsstunden in der Flugschule und so weiter und so fort. Ich plane dafür dann schon anderthalb Stunden ein, bevor wir nur schon in die Nähe vom Flugzeug kommen.

Planung auf dem Homeoffice-Balkon

Aber eigentlich starte ich so schon mittendrin in der Prüfung, es gibt da schon noch eine Vorgeschichte. Die hängt mit der Tatsache zusammen, dass sich der Experte mit 100 Kg Lebendgewicht ankündigt. Das ist genau der Grenzwert, den ein Sitz im Breezer maximal verkraftet gemäss Betriebsanleitung. Aber das ist nicht das Problem, sondern das Gesamtgewicht ist es, was mir mir Kopfschmerzen macht. Zu seinen 100 Kg kommen meine 85 Kg (okay, dank Homeoffice wohl mittlerweile eher 90 - danke Pilotenkollege Berset...) und natürlich noch das Benzin dazu. Das Flugzeug wiegt leer so um die 380 Kg. Und mit max. 600 Kg kann die Gurke abheben. Also so kurz Handegelenk mal Pi zusammengerechnet kommen wir ohne Benzin auf ca. 570kg. Und jetzt kommt da zuerst noch die "eiserne Reserve" rein - 45 Minuten Flugzeit in Form von Benzin, welches nicht für den Flug geplant werden darf. Nochmals gut 15 Kilo. Und alles was jetzt noch reingeht kann ich dann effektiv verfliegen. Man muss kein Mathegenie sein um zu merken: Das reicht niemals nach St. Gallen und zurück. Also muss ich in St. Gallen auftanken. Treue Leser meines Blogs (wie zum Beispiel Du) wissen aber, dass ich schon mal in einer ähnlichen Situation war: Bei meinem grossen Soloflug. Da musste ich in Langenthal tanken, da es in St. Gallen nicht die Sorte Benzin gab, die dem feinen Breezer schmeckt (UL 91). Aber der Prüfer will nicht nach Langenthal, also muss ich eine Alternative finden. Im Handbuch vom Flugzeug steht, dass man problemlos auch mal eine andere Sorte tanken dürfe (z.B.  AVGAS 100LL) - wenn es denn eine Ausnahme bleibe. Ich berate mich mit Urs und werde an den Eigner des Flugzeugs verwiesen. Der soll entscheiden, ob das in Ordnung gehe oder nicht. Zum Glück geht das in Ordnung, mir fällt ein Stein vom Herzen. Die erste Schwierigkeit ist gemeistert.
Für die Route mache ich's mir einfach: Ich setze die beiden Teile zusammen, welche ich zuletzt geflogen bin. Also von Mollis nach Rappi, dann durch den kontrollierten Luftraum von Dübendorf (ist zwar nicht vorgeschrieben vom Experten, aber ein bisschen Streber zu sein kommt sicher gut an), hoch zum Zurich East VOR und dann schnurstracks zum Bodensee nach Kreuzlingen. Von dort geht's an der Küste entlang weiter nach St. Gallen wo dann grad schon die erste Landung ohne Flaps ansteht. Dann zügig auftanken, eine kurze Besprechung vom ersten Flug und gleich wieder raus in Richtung Gossau. Auch hier gibt's wieder was zu beachten - St. Gallen schliesst nämlich über den Mittag und von 1200-1330 erfolgen weder Starts noch Landungen. Also nicht lange trödeln, sondern zügig wieder los. Auf dem Rückweg erfolgt dann die "Airwork", also Kurven nach Wunsch des Prüfers fliegen, Strömungsabrisse erkennen, Notlandungen machen usw. Dann weiter nach Mollis und hier gibt's noch die letzten paar Landungen. Soviel mal zur Vorbereitung, wieder zurück in die Herrgottsfrühe am Prüfungstag.

Nachdem ich also die letzten Infos am PC zuhause zusammengetragen und ausgedruckt habe geht's los nach Mollis. Um 0730 bin ich am Hangar - Mutterseelen allein. Zulu Bravo, mein heutiges Luftross, steht natürlich ganz hinten im Hangar. Zuerst also Tetris spielen. Danach die genau berechneten 43 Liter Benzin tanken und alles schon mal vorbereiten. Ein paar Minuten später erscheint Urs und bringt sogar Gipfeli mit. Wir besprechen nochmals alles was problematisch werden könnte, finden aber nichts richtiges worüber wir uns auslassen könnten. Also smalltalken wir uns zu dem Zeitpunkt, an welchem der Experte dann eintrifft. Und dann geht's auch schon los mit all dem Papierkram. Nachdem der Experte alles gesichtet hat, gibt's noch eine kurze Fragerunde welche ich fast restlos richtig beantworte. Einmal stocke ich mit der Antwort, darf aber in einem Dokument nachschlagen um die Antwort zu finden. Alles so weit so gut, es geht runter zum Flugzeug. All zu viel Zeit wollen wir nicht verstreichen lassen, denn die fehlt uns dann am Ende in St. Gallen, damit wir noch vor deren Mittagspause wieder rauskommen. Also direkt los zum Start auf Piste 01.
Über Rapperswil rufe ich dann den Turm in Dübendorf und erbitte die Durchflugerlaubnis. Der im Turm ist wohl auch noch nicht ganz wach und so fragt er mich nach meiner "Destination", meint damit aber eigentlich nicht die wirkliche Destination (St.Gallen) sondern mehr so, wo ich denn seinen Kontrollbereich wieder verlassen werde. So antworte ich ihm dann prompt "Destination Bichelsee" und triggere damit den Experten, welcher einwirft "Nein, falsch!". Ich ignoriere ihn, bis ich ich die Clearance vom Tower habe und bestätige ihm dann seinen Einwand. Aber er sieht dann auch recht zügig ein, dass der Turm sich einfach verplappert hat und wir beide uns da schon richtig verstanden haben. Zur Sicherheit erkläre ich dann aber dem Experten noch, was "Destination" eigentlich bedeuten würde und er gibt sich damit zufrieden. Phu, Krise abgewendet - Weiter zum VOR.
Auf dem Hinweg will ich's dann zu perfekt machen und versuche penibel genau eine Standlinie zu fliegen. War nicht geplant, aber ich hatte grad ein Hoch. Es misslingt mir und entsprechend schlingere ich dann mehr auf das VOR zu. Halb so schlimm, das wird eh nicht gewertet. Was aber gewertet wird, ist die korrekte Standlinie ausgehend vom VOR zu fliegen bzw. zuerst an zu schneiden. Das gelingt mir dann aber wieder wie aus dem Lehrbuch und schon sind wir kurz vor Kreuzlingen. Ich bin kurz abgelenkt vom Ausblick auf den blaugrünen Bodensee, fange mich aber noch rechtzeitig um die anstehende Kursänderung zu machen. Es steht bereits der Sinkflug an. Wahnsinnig weit oben waren wir zwar nicht, aber ich will nicht in die Ein-/Ausflugschneise von Friedrichshafen geraten - da schlüpfe ich einfach unten durch. Über Güttingen melde ich mich dann bei St. Gallen an und bekomme weitere Instruktionen zum Anflug. Im Downwind erhalte ich dann die Landeerlaubnis, peile den Aufsetzpunkt an und lande ziemlich perfekt - und das ohne Landeklappen. Ich bin von der Landung selbst begeistert, eine der besseren. Ich grinse. Der Experte setzt ein Häkchen. Das Leben ist schön.

Da ich noch nie in St. Gallen aufgetankt habe, mache ich mir noch ein wenig Sorgen über den Ablauf davon. Aber der Experte beruhigt mich indem er sagt, er kümmere sich da schon drum. Er wisse wie's hier läuft. Ich solle einfach schon mal alles vorbereiten. Gesagt getan, schon kommt ein Tankwart(!) und fragt mich, wieviel er denn einfüllen solle. Wow - entweder hat der Experte hier einen hervorragenden Ruf oder St. Gallen hat einfach einen bombigen Service. "Genau 20 Liter, bitte." entgegne ich und schon beginnt der Tankvorgang. Und stoppen tut er bei haargenau 20 Liter. Chapeau. Zeit für einen Umtrunk und einen Schwatz.
Der Experte trifft noch einen Kollegen und ich setze mich schon mal an einen Tisch und bestelle mir ein Rivella. Kurz darauf erscheint der Experte und ich sage ihm, dass ich nicht wusste ob er auch eine Stange wollte und die Bedienung deswegen noch kurz vertröstet habe. "Aufpassen Bartli! Du hast grausam Oberwasser... Fahr die Sprüche runter, evtl. brauchst du den Goodwill vom Experten später noch..." schiesst es durch meinen Kopf. Aber der Experte lacht und bestellt sich glaub's auch ein Rivella. Ich weiss es grad nicht mehr. Wir debriefen den ersten Flug und mein Eindruck täuscht nicht: er findet auch, dass alles gut aussehe bislang. Yay! Nach ein paar Minuten Geschwätz über meine und seine Vergangenheit ist's auch schon wieder langsam Zeit zum Aufbruch.


Ein Blick auf die Uhr lässt uns austrinken und wieder in Richtung Zulu Bravo gehen: 1130. In einer halben Stunde geht hier nichts mehr. Wir steigen ein, ich höre das ATIS ab und melde dem Turm, dass wir los möchten. Ich bekomme die Erlaubnis und es geht los zum Runup Area bei Piste 28. Ein kritisches Auge auf die Uhr lässt mich unsere Fahrt beschleunigen. Das wird sich noch rächen später am Tag... Der Experte notiert sich etwas. Als ich dann oben am Runup angekommen bin moniert der Experte, dass ich zu weit in der Taxiway stehe und der Flieger, der gerade gelandet sei nicht mehr an uns vorbeikommen werde. Ich sehe das zwar nicht so und am Funk meinte ich auch gehört zu haben, dass der soeben gelandete Flieger auf der Piste zurückrollen solle - aber ich reisse mich zusammen und ändere meine Position so, dass sie dem Experten besser behagt. Schnell die Checks durchhaspeln, ein Blick auf die Uhr: 1151. Noch rasch die paar Meter zur Pistenschwelle fahren und aufrufen, dass wir "ready for departure outbound route Zulu" sind.
"HZB, Hold Position."
"Holding Position, HZB". Fätammt. Ist noch einer im Endanflug. Ein nervöser Blick auf die Uhr. 1154.
"HZB, Lineup Runway 28 and wait."
"Lining Up Runway 28 and wait, HZB". 1156. Der Vordermann zuckelt gemütlich die Piste runter, bis er dann endlich nach rechts zum Parkplatz wegdreht.
"HZB, windxxx xxknots runway 28 cleared for takeoff outbound route zulu"
"cleared for takeoff runway 28, outbound zulu, HZB". Hui...
Kurz nachdem die Piste unter uns verschwindet meldet sich der Turm erneut bei mir. Ich soll weiterhin "runway heading" (pilotisch für "geradeaus") fliegen und danach direkt links weg nach Zulu. Normalerweise müsste ich ja noch einen Bogen reissen, aber offenbar hat der Tower Hunger und will mich zügig los haben. Ich tue wie mir geheissen und melde mich kurz darauf über Zulu ab.

Jetzt beginnt die Airwork. Ein Vollkreis nach rechts, einer nach links werden bestellt und geliefert. Und nochmals zwei, diesmal ein wenig steiler. Als nächstes solle ich einen bestimmten Kurs fliegen. Und dann noch einen anderen. Der Experte nebenan macht fleissig Häkchen auf seinem Zettel. Next up: Steilkurven ohne Motorleistung bei konstanter Geschwindigkeit. Die Übung wird nach einer halben Kurve beendet und ein Häkchen dahinter gesetzt. Offenbar war der halbe Kreis von mir schon so gut wie bei einem anderen ein ganzer. Und hier beginnt das Martyrium. Es steht eine Notlandung an. Zig mal geübt. Ich wähle ein Feld aus, kann mich aber wegen der Hügelchen nicht so recht orientieren und entscheiden. Ich fliege zwar nicht in die "No Fly Zone", wäre es aber im nachhinein gesehen wohl besser. Denn trotz voller Beladung will Zulu Bravo nicht runter gehen. Ich bin im Final auf "mein" Feld aber noch viel zu hoch. Der Wald dahinter kommt näher. Ich krame aus meiner Trickkiste eine Glissade hervor, aber der Experte empfiehlt den Go-Around. Hätte eh nicht mehr gereicht und mein "...ich hätte wohl hier in etwa den Schirm gezogen." vermag ihn auch nicht zu besänftigen. "Wollen wir die nochmals machen?" fragt er und ich stimme zu. Also zweiter Versuch, neues Feld neues Glück. Wieder dasselbe Problem. Zu hoch - aber Bartli ist ein Fuchs, er hat sich diesmal nämlich ein Feld ohne Wald dahinter ausgesucht. Und so schweben wir wortkarg über das erste Feld hinweg und der Experte fragt "Also... welches Feld meinten Sie?". Und weil Bartli zwar ein Fuchs ist, aber halt eben doch auch von ehrlicher Herkunft gesteht er dann seinen Bock. Der Experte schmunzelt und meint, wir müssen eh langsam mal in Richtung Toggenburg und Mollis zurück. Kein spezieller Kurs, einfach Richtung Toggenburg und schauen wo wir rauskommen. Gut, das kann ich. Ist eh gut, denn das Wetter fängt an zu kapriolen. Die Thermik des Sommertages schüttelt uns immer mal wieder ein bisschen durch.

Wir kommen so gegen 1300 in Mollis an, wo zuerst gleich mal der "idle approach" ansteht. Mit frischem Elan gehe ich die Übung an, auf 3500 Fuss rupfe ich Zulu Bravo die Power weg und der Sinkflug beginnt. Ich achte darauf, dass ich nicht zu nahe an der Piste bin im Downwind - was mir ja gestern beim ersten Versuch passiert ist. Bei gut 2500 Fuss kürze ich dann den Downwind ab um die No Fly Zone zu vermeiden. Sieht alles gut aus, eine Idee zu hoch vielleicht - also Flaps raus. Und zeitgleich stösst der Nordwind zu. Es passt nicht mehr. Ich werde zu kurz kommen - zwar noch auf die Piste, aber nicht auf die Markierung. Ich komme in's Schwitzen und habe mich im Geiste entschieden, dass ich's trotzdem so versuche. Viel zu kurz wird sie nämlich nicht werden. In dem Moment meint der Experte "Geben Sie halt Gas.". Ich überlege kurz und komme zum Entschluss "In der Übung habe ich einen Motorausfall - der meint also einen Go Around um die Übung abzubrechen." und gebe Vollgas. Er murmelt etwas in Richtung "ja nein nicht so, aber na dann halt...", ich hör eh nicht richtig hin weil ich mir grad sage "Glückwunsch, genau hier hast du's jetzt vergeigt. Zweiter Termin am Freitag.". Mann, bin ich angefressen. "Soll ich gleich auf der Volte bleiben zur Landung?" "Neinnein, wir machen nochmals rasch eine Kurve mehr über dem Walensee". Okay... aber nur eine kleine dann, weil so richtig viel Zaubertrank ist nicht mehr im Tank zum rumkurven... Über dem Walensee versucht er ein Debriefing einzuschieben um zu erkennen, warum ich das gerade eben verbockt habe. Ich gebe ihm meine Einschätzung, aber nur halbhirnig. Die andere Hirnhälfte brüllt "ALAAAARM! 
TANK LEER! ALSO FAST. MACH WAS! JETZT!". Die Tankanzeige vermeldet 20 Liter. Mit knapp 15 Litern muss ich den Vogel aber vor dem Hangar abstellen, sonst begehe ich einen Regelbruch, den mir der Kasper nebenan dann sicher nicht durchgehen lässt. Und so ganz genau ist die Anzeige nicht. Also liegen noch so 5-10 Minuten legal laufender Motor drin. Das wird arg knapp. Und es müssten noch zwei Landungen gemacht werden. Herrje... Warum habe ich nur so viel gefressen die letzten Monate?

Nach ein paar "Verschnaufminuten" fragt der Experte "Machen wir weiter?" "Unbedingt." antworte ich knapp und biege schon wieder ein in Richtung Mollis. Die Prüfung ist noch nicht durch sage ich mir, vielleicht ist ja noch was zu retten. Also diesmal Finger weg von den Landeklappen, windet eh zu fest. Und so passiert das Undenkbare: Ich bin wieder zu hoch. Ich fluche in mich hinein, aber noch ein Go Around liegt sicher nicht drin. Weder beim Goodwill des Experten noch im Tank. Also prügle ich die Mühle einfach runter und hoffe, dass der Nordwind noch ein bisschen mithilft zum Ende hin. Er tut es natürlich nicht. Die Landung wird arg lang. Irgendwo in der Mitte der Piste habe ich dann Bodenkontakt, nicht zu fest, nicht zu weich - eigentlich ganz ok. Einfach 200 Meter von dort entfernt wo ich sonst aufsetze und speziell heute aufsetzen sollte. Gut, wieder Vollgas und in die Volte. Letzte Landung. Die kommt wieder so verdammt hoch, wie sonst nie (ausser, naja, alle von heute halt...). Aber diesmal hilft der Wind nach, zwar eher in Form eines Bärendienstes. Ich setze ziemlich nachdrücklich bzw. "positiv" auf und rolle aus. Eine Erwiderung auf mein "Also sonst sind meine Landungen echt nicht so mies...ha...ha...." gibt's vom Experten nicht. Er notiert. Viel. Die Stirn in tiefen Runzeln. Wortkarg rolle ich zum Hangar. Urs steht draussen, aber ich kuck nicht zu ihm. Ich schäme mich wie ein Welpe, der ins Wohnzimmer gemacht hat. Aus dem Augenwinkel hatte ich bei den Landungen natürlich gesehen, dass er meinen Exzessen zugeschaut hat. Hat den Erfolgsdruck nicht grad gemindert.
Motor aus, letzte Checks machen. Ich schau zum Experten rüber wie in den Lauf einer Pistole und denk mir "Los, drück ab. Bring's hinter dich.". Er meint nur, ich soll schon mal das Debriefing vorbereiten, damit wir die guten und schlechten Sachen danach besprechen können. Ich schleich mich vom Acker und auf die Terrasse vom Aviatico und fluche vor mich hin. "Scheiss Wind.", "Scheiss UltraleichtflugzeugMiniTank.", "Scheiss Fliegerei überhaupt.", "Wenn der jetzt dann kommt und ich durchgefallen bin, dann... dann... ja, echt. Also dann... Aber so was von...".
Ich fange mich rasch wieder. Hab ja einen Auftrag. Nämlich das gerade Durchlebte nochmals Revue passieren zu lassen. Meinen Nachruf quasi gleich selbst schreiben. Fangen wir mal mit dem Guten an. Da gibt's schon drei, vier Sachen, auf welche man verweisen kann. Aber rechtfertigen will ich mich ja dann auch wieder nicht. Lieber stehend sitzen als knieend zu fliegen oder so. Egal, ich schreibe auf. Beim Schlechten gibt's natürlich auch drei, vier Sachen. Die Emotion kocht nochmals rasch hoch, findet ihr Ventil aber in der Faust auf dem Tisch und einem lauten "Fuck!". Weiter schreiben. Wo bleibt der Scharfrichter eigentlich? Ah, er diskutiert immer noch mit Urs. Letzterer versucht wohl noch irgendwie zu retten, was de facto schon verloren ist. Sehr nobel. Sehr vergebens. Beide machen sich auf den Weg zu mir und ich schreibe mein Zeug noch zu Ende.


"Gratuliere, Sie haben bestanden."
"Wie...echt jetzt?" Aus dem Pistolenlauf, in den ich vorhin blickte, kam ein Fähnlein auf welchem "Peng!" stand heraus.
"Ja. Aber wir müssen schon noch ein paar Sachen ansprechen. "
Das Debriefing ist sehr ausgewogen aus meiner Sicht. Ich hätte mich härter angeraunzt. Gelobt wird das Briefing am Morgen, der Flug nach und die Landung in St. Gallen. Auch der Funk sei gut gewesen und die fliegerische Leistung ganz im Allgemeinen. Mit Ausnahme der Notlandungen und halt eben das, was hier in Mollis passiert sei. Und ich sei ein bisschen gar schnell unterwegs am Boden (langsam könnt ich's ja mal glauben, immerhin ist das jetzt schon der Dritte der mir das sagt). Und dann noch ein bisschen Kleinkram, den wahrscheinlich jeder Prüfling mal zu hören kriegt. Ich nicke und stimme mit einzelnen Silben zu. Ich hüte mich vor irgendwelchen Ausreden à la "Ja der Wind...", "Ich hab halt gemeint Sie meinten Go-Around..." oder "Also ich musste ja mit dem wenigen Benzin haushalten...". Er hat mich bestehen lassen. Es kann sich nur noch zum Schlechteren wenden, wenn ich jetzt die Klappe aufreisse. Er mahnt an, ich solle trotz eigentlich abgeschlossenem Training nochmals ein paar Landungen üben mit Urs. Ich stimme zu und Urs nickt das ebenfalls ab. Debriefing beendet. Jetzt nochmals Administrativa (Unterschriften, Fotos von Dokumenten machen usw.) und dann wäre ein weiteres Kapitel abgeschlossen. Die Lizenz gibt's dann in einer Woche oder so - der Staat hat diese Aufgabe, also wird die Rechnung wohl morgen kommen und die Dienstleistung im Verlauf der kommenden zwei Wochen erbracht. Let's call it a day. Papa hat den Grill angefeuert. 


Fazit

Freude herrscht.

Mission accomplished. Was gibt's da noch gross zu fazitieren? Ich habe die Lizenz - das teuerste Stückchen Papier in meinem Leben. Aber gelohnt hat sich das auf jeden Fall. All die Flüche, welche ich in die Theorieordner gebrüllt habe. Die neuen Bekanntschaften und Orte. Die Selbstzweifel, wenn ich etwas einfach nicht praktisch umsetzen konnte. Die unschlagbaren Aussichten. Das neue und andere Erleben der Elemente. Die Momente, in denen ich den kleinen Marco von vor 25 Jahren im Regen neben den Hangars stehen sah und wie er sich absolut zu 100% sicher war, dass er da demnächst auch in einem Flieger hockt. Ja, absolut hat sich das alles gelohnt. Aber nicht nur im aviatischen Bereich hat mich die Ausbildung weiter gebracht. Vieles was in der Fliegerei selbstverständlich ist, kann auch im Job oder im Privaten angewendet werden. Sachen wie "Hoffe auf's Beste, Plane für's Schlimmste" oder "Hab immer einen Plan B" zum Beispiel.
Joa... Da wären wir jetzt. Am Ende des Weges irgendwie angekommen. Oder zumindest mal an einer Abzweigung. Das Futter für spannende Geschichten von Urs und Marco fällt schlagartig weg. Aber ich bin mir sicher, dass ich mich auch selbst in die ein oder andere Situation bringe, die eine Erwähnung wert wäre. Wir werden sehen. Und jetzt geht's ja eigentlich erst so richtig los, neue Erlebnisse, neue Schnäuzler zum Streiten, Passagiere auf privater Basis abzocken, reich und berüchtigt werden und so. 

Wobei, wenn ich's mir recht überlege... Eine Geschichte habe ich eigentlich jetzt schon auf Lager.