ready for departure
Mein digitaler Flugplatz

Kurzer UnterBruch...

Joa... die einen wissen's schon, andere unterrichte ich jetzt hier. Das mit der Fliegerei wird in den nächsten Wochen nix mehr. Auf dem Weg in's Büro habe ich eine ungewollte Flugsekunde vom Velo gebucht und mir dabei das linke Handgelenk bzw. die Speiche gebrochen. Immerhin ist's ein "sauberer" Bruch, heisst also nur Gips und keine OP.

Damit ihr aber trotzdem was zu lesen habt, gebe ich hier die Erlebnisse meines Teilzeitinvalidentums zum Besten.

Tag 1...

knacks Fast nicht sichtbar - aber schmerzt trotzdem wie ein richtiger Bruch



Nach dem ersten Schock und dem Erfüllen meiner Pflicht (ins Büro fahren und rumjammern) ging es zum Doc. Der hat mit seiner Strahlenkanone auf mein Handgelenk geballert und danach befunden, dass eine Gipssschiene die Lösung der Wahl sei.
So. Gebrochenes Handgelenk. Oder, wie ich in den letzten Tagen realisiert habe, Kleinkindsimulator 2019.
Echt jetzt. Jacke anziehen? Geht nur unter enormem Zeit- und Platzaufwand, irgendwem wird's dann zu bunt und man bekommt ungewollte Hilfe. Einen Apfel schneiden? "Wart, ich mach das für dich mit dem Messer!" Schuhe binden? Ich wünsch mir Klettverschlussschuhe zurück. Irgendwas einfaches selbst kochen? Die Küche sieht danach aus wie Dresden 1945.
Aber auch wenn eine simple Aufgabe (in meinem Beispiel ein Päckli Taschentücher öffnen) nicht auf Anhieb klappt: Tobsuchtsanfall. Das Tempo fliegt durch die Wohnung. Für diesen Wutausbruch schäme ich mich. Ich schmolle vor mich hin. Das ganze Kleinkindprogramm eben...
Und dann kommt dann noch so ein Halodri der fragt, wie man denn fliegen lernen will, wenn man noch nicht mal Velo fahren kann. Man hat's nicht leicht als einarmiger Bandit unter einem Haufen aussätziger Normalos...




Tag 7...

Bondage Passt, wackelt und hat Luft

Der erste Doc ist nicht mehr dort, seine Stellvertretung macht mir mit ihrer ewigen Rückfragerei nicht so wirklich Mut. "Das sieht schon nicht so gut aus, oder?", "Das Röntgenbild ist schon nicht so eindeutig, gell?"," Soll ich Sie der Handchirurgie überweisen? Wäre das okay für Sie?" - hach... Aber ich habe dann zugestimmt, dass die Profi-Chirurgen wohl gerade mal gut genug sind für meine verdriessliche Lage. Praktisch: Die sind gleich im Haus nebenan. Auch praktisch: Die gute Frau Chirurgin hat grad am selben Nachmittag Zeit. Weniger Praktisch: Die gute Frau Chirurgin hat wohl einen schlechten Tag - Sie raunzt eine junge Kittelträgerin grad in dem Moment an, als ich mich am Empfang aufbaue. Und das Klemmbrett kriegt auch grad noch was ab. Ich warte im Wartezimmer und übe abwechslungsweise hilfs- und schutzbedürftige sowie freundliche Gesichtsausdrücke. Minuten später kommt dann die Spezialistin, sie wurde mittlerweile von einem Kategorie F5-Tornado (Holzhäuser werden von ihren Fundamenten gerissen, weit verschoben und zerlegt) zu einem F2 (Bäume werden entwurzelt, leichte Gegenstände werden zu gefährlichen Projektilen) heruntergestuft. Ich werde erneut durchleuchtet und bekomme sogar meine erste Ultraschalluntersuchung ("wir halten noch geheim, was es wird").
Fazit: Die Gipsschiene sei ein Narrenwerk. Flickschusterei. Feldärztetum. Ein richtiger Gips muss her. Find ich gut, richtige Verwundungen benötigen richtige Therapie und viel Brimborium. Ich nicke zustimmend und werde in ein anderes Zimmer verfrachtet, in welchem ich auf das eintreffen weiterer Handlanger (haha, welch ein Wortwitz!) warten soll. Die zusammengestauchte Kittelträgerin von vorhin erscheint, die Arme voll Verbandsmaterial - Sie scheint sich wieder gefangen zu haben, ist freundlich und macht einen kompetenten Job. Der Gips ist temporärer Natur, hat also einen Schlitz auf der Seite und zwei Klettverschlüsse. So kann ich ihn im Notfall schnell anpassen oder ganz abwerfen. Nächste Woche gibt's dann "the real deal".

Tag 14...

Heute gilt es ernst, der "endgültige" Gips kommt, zumindest für die nächsten vier Wochen. Heute ist die Handchirurgin richtig fröhlich - mit mir gibt sie sich dann aber auch nur zwei Minuten ab (das neue Röntgenbild hat sich offenbar verbessert - ich seh's zwar nicht, vertraue ihr aber dahingehend). Das nette Fräulein von letzter Woche stellt mich vor die Wahl "nochmals blau oder lieber pink?" - ich zögere zwar kurz, entscheide mich dann aber für blau. Das passt besser zum Logo meines Arbeitgebers und vielleicht gibt's dafür ja ein bisschen was vom Marketingbudget ;-) Spontan kommt mir die Idee zum vorläufigen Design: "Noseart" muss her.


Tag 36...

Mein Begleiter "Gipsi" fängt an zu miefen. Wobei, das stimmt nicht ganz. Er stinkt schon seit ein paar Tagen friedlich vor sich hin, aber bislang war das Zusammenleben nicht gross beeinträchtigt gewesen dadurch. Man lässt seinem Partner ja doch viel durchgehen, wenn man mal den Bund geschlossen hat. Aber heute Morgen hat er mich wach geküsst und ich musste eingestehen: Mit so einem Atem wird's nix mit uns beiden.

Lösungsorientiert habe ich dann geforscht und siehe da: Alkohol ist wieder mal die Lösung. Also habe ich "Gipsi" kurzerhand mit einer 70%igen Ethanol-Wasserlösung abgefüllt (gibt's im Migros und nennt sich Hand-Desinfektions-Gel). Das killt Bakterien zu 99,x Prozent und ist quasi wie Mundspülung für ihn. Und ganz ehrlich - es wirkt. Wir können unsere gemeinsame Zeit nun wieder in vollen Zügen geniessen. Danke, Alkohol!

Tag 45...

Gipsi ist von mir gegangen. Die Handärztin meinte nach einigem Zerren, Drehen und Ziehen "Oh, das Handgelenk ist ja beweglicher als erwartet! Da braucht's wohl nicht viel Physio, bis das wieder gut ist." und "Noch eine Woche lang nichts Schweres heben, danach tasten Sie sich halt langsam heran. Sie merken dann schon was geht und was nicht.". Joa, dafür sind Ärzte da. Um zu sagen, dass man halt selber kucken soll. Einen guten Tipp gab sie mir dann aber doch noch auf den Weg. Nämlich, dass ich in den kommenden drei Monaten besser nicht auf's Handgelenk fallen soll. Ich versuch's...

Jetzt warte ich mal den ersten Befund von der Physio ab - danach nehme ich dann wieder mal das Fliegen in den Fokus.


Tag irgendwas mehr als 45

Nach 4 Physioterminen und dem erlernten Gummi-Ei würgen, Knetmasse kneten, Gummiseil spannen usw. geht der Blick wieder vermehrt in Richtung Himmel. Der nächste Termin zum abheben steht auch schon fest: 03.04.19.

Nachtrag 03.04.19; Den Fluglehrer hat's nun auch noch erwischt. Allerdings mit Erkältung, also fällt der Termin aus - next "Waypoint": 09.04.19


Mit diesen Worten schliesse ich Kapitel 4,5 jetzt ab. Was habe ich gelernt? Nicht viel - ausser vielleicht, dass Unfälle mit dem Fahrrad viel wahrscheinlicher sind als mit dem Flugzeug. Im Moment bei mir sogar um 100% wahrscheinlicher.
Schweizweit gesehen gab's im Jahre 2016 (was die aktuellste Zahl ist, die ich auf Anhieb gefunden habe) sage und schreibe 18'507 Arbeitswegunfälle (sagt die Koordinationsgruppe für die Statistik der Unfallversicherung UVG). Unfälle mit motorisierten Fluggeräten bis 5'700 Kg Abfluggeweicht? Gemäss SUST im 2016: 1. Ja, einer!
Im Vergleich dazu: "Umhergehen in Haus und Garten" 58'991, "Botengänge/Besorgungen" 5'660, "Neckereien im Freien (öff. Grund)" 2'400. Es ist also 2'400 mal wahrscheinlicher, dass ich Opfer einer hinterhältigen und arglistigen Neckerei im Freien werde (welche mit einem Arztbesuch endet) als dass ich meine Remos-Gurke in's Gemüse schiesse und mich dabei verletze. Hach, Statistiken. Die nehmen JEDEM die Angst vor dem Fliegen. Dafür habe ich jetzt Angst in Haus und Garten umherzugehen...


Genug der Gesundheitsprobleme, ich schliesse dieses Kapitel und verkünde feierlich die Eröffnung von Teil 2 des PPL-Tagebuch. Also schön am Geländer festhalten und vorsichtig dem Link zu Teil zwei folgen.