Hier kommt die Action! Der Puls wird in die Höhe schiessen. Machte er zwar auch schon in den Platzrunden, aber dort kam's "nur" vom Stress, weil so viel in so kurzer Zeit zu bewältigen gewesen war. In diesem Kapitel geht's aber an's Eingemachte, Fehler führen zum Absturz. Die Spreu wird vom Weizen getrennt. Jetzt aber genug von den platten Sprüchen und eine kurze Übersicht, was mich denn jetzt erwartet: Strömungsabrisse, Instrumentenausfälle, Triebwerksausfall, Notlandungen - das sind die Schlagwörter dieser Übungen.
25.07.18 - Lektion 3.1 - 3.2
Sommerliche 30°C, fast wolkenloser Himmel und ein bisschen Wind - ideale Bedingungen für einen Tag in der Badi. Im Flugzeug? Eher weniger... Schon die ersten Aufgaben am Boden sind schweisstreibend: Unser Flieger steht ganz hinten im Hangar, also ziehen wir die beiden anderen raus an die Sonne. Immerhin ist noch genug Benzin im Tank für den ersten Flug. Und ich bin nicht lange alleine beim schwitzen, die SPHAIR ist wieder da und kommt grad aus der Mittagspause. Sie haben auch wieder einen grünen Mann dabei. Dieser ist aber easy drauf und macht nicht viel mehr als seine PC-7 fertig zu machen für den Start. Er dröhnt davon, wackelt noch mit den Flügeln und wir machen uns ebenfalls auf den Weg. Erster Punkt auf der Tagesordnung: Raus aus der Platzrunde und - zum ersten mal - in den Arbeitsraum Süd (über Linthal) auf 5500 Fuss. Es macht richtig Spass, endlich wieder mal was anderes zu sehen als die Platzrunde und auch die Temperaturen werden angenehmer. Dann wird's ernst, wir proben den STALL (Strömungsabriss). Das heisst, wir nehmen den Schub komplett raus und versuchen die Höhe zu halten, in dem wir das Abkippen des Fliegers mit dem Höhenruder kompensieren - bis es halt nicht mehr geht. Er hier im Video führt das mal vor, das Gekreische gehört nicht zum offiziellen Procedure:
Alles in allem wird damit eine Notsituation geübt, welche z.B. bei einer Böe entstehen kann. Oder wenn man ein bisschen sehr planlos in der Luft herumgegurkt ist. Aber Spass macht es schon, wenn man am Stick zieht (was normalerweise dazu führt, dass man mehr Himmel sieht) und der Flieger dann aber das Gegenteil macht und man nur noch den Boden sieht :-) Nachdem wir das 4, 5 mal gemacht haben geht's zurück nach Mollis für einen Touch and go und eine angehängte Platzrunde. Danach gibt's erst mal Trinkpause für den Fluglehrer, das Flugzeug und mich.
Der zweite Flug des Tages ist dann auf dem Papier wieder langweilig, aber in der Ausführung sehr spannend. Es geht wieder um Platzrunden, diesmal allerdings mit falschen Höhen. Zwei Platzrunden zu hoch, zwei normale und zwei zu tiefe. Davon jeweils eine mit verlängertem Downwind, falls mal einer vor mir wäre, der nicht vom Fleck kommt). Zunächst warten wir aber noch die Landung vom roten Super Puma der Heli Air Swiss (sind zwar Österreicher) ab, welche in Mollis stationiert sind.
Die zu hohen Platzrunden bringen mich noch nicht wirklich zum Schwitzen, es geht dann halt in der Base und im Final einfach steiler nach unten. Dennoch spannend ist zu sehen, wie sich das mittlerweile eingeprägte Bild mit den Bezugspunkten verändert. Die Differenz ist dabei gerade mal 300 Fuss, also 100 m. Die zweiten kenne ich schon und sind mehr für die Festigung, der verlängerte Downwind erscheint mir logisch und einzig die Lärmbelästigung der Dörfer unter uns muss da berücksichtigt werden. Richtig knackig werden die letzten beiden Platzrunden. Wir sind auf lediglich 1900 Fuss, was im Schnitt so um die 130 Meter über der Talsohle ist. Da sieht die Welt schon mal ganz anders aus und auch Strukturen wie Kirchtürme, Strommasten usw. kommen einem ein bisschen näher als einem lieb ist. Das Husarenstück kommt zum Schluss. Triebwerksausfall in der Mitte vom Downwind! Die Platzrunde wird abgekürzt und der Final findet quer zur Runway statt. Erst kurz vor dem Aufsetzen, wird der Flieger noch gedreht, damit man zur Landung nicht nur die Pistenbreite sondern die Pistenlänge nutzen kann. Ich ertappe mich, dass ich meinen Mund ab dem abkürzen der Platzrunde speerangelweit offen hatte. Das war intensiv. Aber richtig geil. Ah und so ganz nebenbei; Das Problem vom Flug der letzten Woche, das mit dem "schief in der Luft hängen", hat heute schon um einiges besser geklappt :-)
Die nebenstehende Grafik zeigt die Unterschiede der Anflugrouten. Die Pfeile zeigen die Flugrichtung, der schwarze Kasten ist die Runway 01. Rot ist die übliche Platzrunde, Türkis die mit verlängertem Downwind und gelb die mit dem simulierten Triebwerksausfall.
August '18 - Warum selbst fliegen, wenn man Leute dafür bezahlen kann?
Der August ist mit diversen Ferien angefüllt, die Fluglehrer haben irgendwie auch nie Zeit und Theorie liegt ja auch noch genug herum zum lesen. Also: Sommerferien.
September '18
Der Chef der Flugschule hat sich gerade an mich gewandt und gemeint, dass sie einen personellen Engpass haben und zur Zeit neue Leute einstellen. Es sollte also in den kommenden Wochen wieder mehr Kapazitäten für Flüge geben. Na immerhin geht was :-)
Oktober '18 Warten auf... ja auf was eigentlich?
Ein weiterer Monat zieht dahin und ich kann Good News für mich vermelden. Das Personal wurde aufgestockt, ich habe einen rega-Piloten als Fluglehrer zugewiesen bekommen (vielleicht liegt ja jetzt sogar mal eine private Tour im neuen Jet drin?) und habe grad mal sechs Termine Ende Oktober/Anfang November gebucht. Bis dahin: weiter Theorie lernen. Da steht im Moment grad Physik auf dem Programm mit Sachen wie "Wo endet die Troposphäre und warum sollte dich das interessieren?", "Die Aneroiddose - dein bester Freund" oder - mein Favorit - wie errechnet man Handgelenk mal Pi die Temperatur auf einer bestimmten Höhe. Wer damit bei der nächsten Wanderung protzen will:
"pro 1000ft Höhenunterschied 2 Kelvin" oder "pro 100m Höhenunterschied 0.65 Kelvin"
Das nützt den meisten Menschen per se nicht wahnsinnig viel, da sie i.d.R mit Kelvin und Feet nicht viel anzustellen vermögen. Deshalb hier ein bisschen Hilfestellung:
1 Kelvin = 1° C
Wer sich jetzt zu recht fragt, "Warum denn nicht gleich in Grad Celsius?!": Irgendwann hat die Fluggemeinde der Welt sich mal für Kelvin entschieden. Wir wollen halt nicht von allen verstanden werden. Sonst meint am Ende noch jeder, dass er fliegen kann. Deshalb, und weil's bei Kelvin kein Minus gibt (ist halt schon doof, wenn man beim rechnen mal einen Strich vor einer Zahl vergisst oder übersieht). Darum also 0 K = -273,15° C. Kälter wird's nirgendwo im bekannten Universum. Ausser vielleicht im Herz der Ex-Freundin.
Wir brauchen zumindest zwei Angaben, die aber recht easy herauszufinden sind:
Aktuelle Temperatur: 15°C
Höhe über Meer (z.B. Mollis): ~450m
Du fragst dich, ob du auf dem Vorderglärnisch (~2'350m) eine Jacke brauchst (wir gehen mal davon aus, dass du über keinen gesunden Menschenverstand verfügst und du dich das tatsächlich fragst). Du errechnest also die Differenz und kommst im Idealfall auf 1'900m. Wenn du jetzt 19 * 0.65 rechnest (12.35 K) und das Ergebnis von der aktuellen Temperatur in Mollis abziehst, erhältst du eine ungefähre Ahnung, wie kalt es auf dem Gipfel sein wird (von Windchill, lokalen Gegebenheiten etc. mal abgesehen). 2-3° C. Ja, da macht eine Jacke schon Sinn.
29.10.18, Lektion 3.3 - 3.4
Endlich geht's wieder los! Dachte ich. Das übrigens schon am 25. Oktober, aber da habe ich aufgrund Erkältung zähneknirschend selbst abgesagt. Ausweichtermin wäre also heute. Aber das Wetter hat sich das anders gedacht und ein Tiefdruckgebiet nach Norditalien geschickt. Das drückt sich an den südlichen Alpen vorbei und beglückt den Zigerschlitz mit dem ältesten Glarner: Dem Föhn, der das Tal auch im Herbst mit fast mediterranem Klima beglückt. Dazu noch ein paar Liter Regen, damit die Glarner nicht gleich wieder die kurzen Hosen aus dem Keller holen.
Alles in allem wäre das noch nicht unbedingt ein NoGo für mich, aber die Lektionen beinhalten die Themen "Landungen ohne Landeklappen" und "Motorausfall auf oder in der Nähe des Flugplatzes". Und da in Mollis i.d.R. leicher Nordwind herrscht und man entsprechend meist in Richtung Norden startet, macht's wenig Sinn dass man das in eine Richtung übt, in welche man eh fast nie startet. Also zurück in den Hangar und das Briefing ein bisschen ausweiten.
So ganz nebenbei, ich habe wieder einen neuen Fluglehrer - ob die ersten beiden mich mittlerweile auf dem Kicker haben kann ich nicht sagen bzw. konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ich hoffe es jedenfalls nicht - weit hergeholt wäre die Begründung aber wohl auch nicht. Auf jeden Fall macht der neue einen sympathischen Eindruck. Wird sich dann zeigen, ob und wie wir miteinander auskommen. Ich geb mir auf jeden Fall Mühe ;-)
Und so ganz nebenbei zwei, mein Tagebuch wurde im Newsletter der Ecoflight erwähnt (was mich natürlich freut!). Jetzt zahlt es sich wieder uuuuhuren aus, dass ich auf reale Namen verzichtet habe. Wer sich selbst oder eine/n seiner Lieben in meiner Berichterstattung erkennt und das nicht möchte: Doktor Marco hat immer digitale Sprechstunde.
02.11.18, Lektion 3.3 - 3.5
Diesmal hat's geklappt - ich war gesund, das Wetter spielte mit, das Briefing bereits anfangs Woche erledigt. Ohne grosse Vorbesprechung ging es an den Flug 3.3. Der sah zum einen sogenannte "Zero Flaps" Landungen vor. Also Landungen, welche ohne Zuhilfenahme der Landeklappen durchgeführt werden müssen. Die Dinger können halt schon mal ausfallen und auch dann muss man seinen Flieger in einem Stück auf die Piste bringen. In Mollis ist das relativ easy, die Piste ist lang genug. Schon mal ein Grund weniger zu schwitzen. Wenn ich in Wangen-Lachen lernen würde, wäre das schon eher ein Grund für spontane Schweissausbrüche. Dort ist die Piste "nur" 500 Meter lang, in Mollis steht mit 1800 Meter um einiges mehr Platz zur Verfügung.
Kleiner Exkurs in die Extreme? Je nach Flugzeug, Wind und Pilot reicht auch schon ein Meter zur Landung:
Oben drauf kamen dann noch Startabbrüche. Was tun, wenn's den Motor in den unterschiedlichen Phasen des Fluges zerlegt. Kurz abgehandelt (und zumindest für LSMF anwendbar):
Die Merksätze habe ich mir übrigens selbst beigebracht, sie sind bislang noch kein Bestandteil der offiziellen Schulungsunterlagen.
Wie üblich, gibt's zuerst mal eine Kostprobe vom Meister, dann übernehme ich. Nebst der Nervosität von wegen "Wie war das noch vor drei Monaten? Zuerst der Check oder das Procedure? Wann soll ich funken?" und "Wo genau drehe ich jetzt in die Base ein?" hatte ich ein bisschen Bammel vor den ausgefallenen Flaps und dem abgebrochenen Start.
Ein bisschen speziell war die sofortige Landung nach dem Abheben schon, aber aufgrund der langen Piste auch nicht wirklich prekär. Das ging schon mal recht gut.
Wegen den nicht zur Verfügung stehenden Flaps kam irgendwie überhaupt keine Panik auf - nur mein erster Anflug kam ein bisschen zu lang, was aber nicht weiter verwunderlich war. Die nachfolgenden klappten dann ziemlich gut und machten sogar Spass, weil da wieder was dazu kam, was man eigentlich eher nicht so macht: Im Landeanflug den Flieger selbst als Landeklappe nutzen - man zieht dabei den Flieger ein bisschen nach oben, sodass der Eindruck entsteht man steige. Aber aufgrund der tiefen Geschwindigkeit sinkt man und wird noch langsamer, denn der Auftrieb reicht für's steigen nicht. Wer hier nicht genau aufpasst und die Geschwindigkeit im Auge behält rutscht in den Strömungsabriss (was in dieser Phase des Flugs dann nicht mehr wirklich korrigierbar ist...). Das wäre dann Flug 3.3 auch schon gewesen. Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnt haben: Der Parallaxenfehler hat sich wieder eingeschlichen in der Sommerpause - anstatt gerade aus schaue ich auf die Spitze vom Propeller und schwanke zu Beginn entsprechend schief durch den Zigerschlitz. Nach mehrmaliger Ermahnung (zuerst durch den Fluglehrer und irgendwann dann sogar durch den eigenen Kopf) klappt's dann aber schon bald wieder so wie gewünscht.
Im nächsten Teil wird's wieder spannend , denn der Motor fällt nun ein bisschen später aus und die Schweissperlen können sich entsprechend schon mal vorbereiten:
Auch hier: Die Merksätze sind bislang noch kein Bestandteil der offiziellen Schulungsunterlagen.
Eines vorne weg: Die Notlandungen auf Feldern und Linth üben wir nicht. Das wäre ein bisschen teuer und vermutlich haben die Bauern und der Umweltschutz was dagegen. Darum fällt der Motor zum Glück erst im Final oder im Downwind aus. Es werden dann entweder normale Platzrunden oder abgekürzte Platzrunden mit später gesetzten Flaps. Total easy und im Fall von der abgekürzten Platzrunde mit spät gesetzten Full Flaps richtig spannend (der geneigte Leser erinnert sich vielleicht an meine Aussage von Lektion 3.2 mit dem "speerangelweit offenen Mund"). Diesmal war der Mund zu, aber dafür hatte ich ein Riesengrinsen drauf.
Da diese beiden Flüge mit je vier Landungen nach jeweils nicht mal 30 Minuten durch waren machen wir gleich noch eine Lektion oben drauf. Auf die freue ich mich schon den ganzen Tag: Ausfall aller Instrumente. Fliegen wie zu Zeiten der Pioniere, alle notwendigen Infos kommen von draussen, dem Gehör oder dem Sitzfleisch. Dazu werden die Instrumente behelfsmässig mit Papier abgedeckt und ich mache einfach ein paar Platzrunden. Mir fehlen all die Zahlen und Zeiger überhaupt nicht und vom Gefühl her pendle ich mich sowohl bei Höhe und Geschwindigkeit recht gut ein (ok, bei der Geschwindigkeit bin ich häufig auf der schnelleren Seite). Das hat bislang schon fast den grössten Spass gemacht in der bisherigen Ausbildung, weil mir dabei sowohl das Flugzeug als auch der Fluglehrer bescheinigen: Ein gutes fliegerisches Grundgefühl ist vorhanden. Balsam für die Seele eines angehenden Hobbypiloten :-)
Zum Schluss geht's noch an den Putzlumpen. Was im Sommer ein gemütlicher Ausklang der Flugstunde war mausert sich langsam zu einer Tortur - und so richtig kalt war's ja bislang noch gar nicht...
Das war's dann mit der letzten Lektion aus Kapitel 3 - in der nächsten Stufe kommen dann in der zweiten Hälfte die ersten Solo-Flüge. Das wird dann ein weiterer Meilenstein in meiner "Pilotenkarriere" und ganz ehrlich: Ich kann's kaum erwarten! Falls es dir genau so geht: Hier geht's zum nächsten Kapitel.